Du sollst nicht sterben
Aussagen der Opfer des Schuh-Diebs von 1997. Sie alle hatten den gleichen Geruch wahrgenommen, als man ihnen etwas aufs Gesicht presste.
Chloroform.
84
Sie wissen nicht, wer ich bin oder wo ich bin, was, Detective Superintendent Roy Grace? Sie haben keinen Schimmer! Eine Verhaftung. Aber Sie mussten ihn aus Mangel an Beweisen laufen lassen. Sie geraten in Panik.
Ich nicht.
Ganz schönen Mist habe ich heute Nachmittag gebaut, das gebe ich zu. Aber ich habe schon Schlimmeres überstanden. Ich war zwölf Jahre vom Radarschirm verschwunden, und jetzt bin ich wieder da. Ich könnte wieder verschwinden, hasta la vista, Baby! Aber keine Sorge, ich wäre bald wieder da! Nächste Woche, nächsten Monat, nächstes Jahr oder nächstes Jahrzehnt! Und wenn ich zurückkomme, wird es Ihnen noch sehr leid tun, was Sie gesagt haben, von wegen kleiner Pimmel.
Aber ich bin noch nicht weg. Ich mache keine halben Sachen.
Ich möchte nicht gehen, ohne Sie wirklich in Panik zu versetzen. Ohne etwas zu tun, das Sie oder Ihren neuen Boss richtig dumm aussehen lässt. Wie hieß doch gleich das Wort, das Sie heute Abend im Argus benutzt haben? Jagd! Sie sagten, der Schuh-Dieb sei auf der Jagd.
Nun ja, da haben Sie recht! Ich bin auf der Jagd! Ich liege auf der Lauer!
Am Mittwochabend habe ich sie am Withdean-Stadion nicht erwischt, aber morgen Abend ist sie reif.
Ich weiß genau, wo ich sie finde.
85
Jetzt
Freitag, 16. Januar
Roy Grace hatte selten schlechte Laune, war bei der Besprechung am Freitagmorgen jedoch kaum zu genießen, und die schlaflose Nacht machte es auch nicht besser. Er war bis nach ein Uhr nachts mit einigen Kollegen in der Soko-Zentrale 1 geblieben, um alles durchzugehen, was sie über den Schuh-Dieb von damals und heute wussten. Danach war er zu Cleo gefahren, doch hatte man sie wenige Minuten nach seiner Ankunft gerufen, um eine Leiche auf einem Friedhof zu bergen.
Er hatte eine Stunde dagesessen, Whisky getrunken und eine Zigarette nach der anderen geraucht, hatte sich das Hirn darüber zermartert, was er übersehen hatte, während Humphrey neben ihm schnarchte. Dann hatte er einen umfangreichen Bericht der High-Tech Crime Unit noch einmal gelesen. Der verdeckte Internetermittler hatte einen ganzen Berg von Webseiten, Internetforen und Netzwerken zusammengetragen, die von Schuh- und Fußfetischisten genutzt wurden. Es gab Hunderte. In den vergangenen sechs Tagen hatte Grace nur einen kleinen Teil davon überprüfen können.
Er hatte den Bericht verwundert zur Seite gelegt. Vielleicht hatte er ein zu behütetes Leben geführt, doch konnte er sich nicht vorstellen, seine Vorliebe für irgendeinen Fetisch mit einem Haufen weltfremder Menschen zu teilen. Danach war er ins Bett gegangen und hatte versucht zu schlafen. Leider lief sein Gehirn immer noch auf Hochtouren. Gegen halb fünf war Cleo zurückgekommen, hatte geduscht, war ins Bett gefallen und sofort eingeschlafen. Er staunte immer wieder darüber, wie sie sich mit den grauenhaftesten Leichenfunden beschäftigen, nach Hause fahren und Sekunden später einschlafen konnte. Vielleicht war es eben diese Fähigkeit, einfach abzuschalten, die es ihr ermöglichte, ihren Beruf auszuüben.
Nachdem er eine weitere halbe Stunde aufgedreht und schlaflos dagelegen hatte, war er aufgestanden und zum Meer hinuntergejoggt. Er versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen und sich für den bevorstehenden Tag zu stärken.
Jetzt, um 8.30 Uhr, litt er unter grauenhaften Kopfschmerzen und war ganz zittrig vor lauter Koffein. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, einen weiteren starken schwarzen Instantkaffee zu trinken, während er im voll gepackten Besprechungszimmer saß. Das Ermittlungsteam bestand inzwischen aus über fünfzig Leuten.
Er hatte die Morgenausgabe des Argus vor sich liegen, daneben einen Stapel Dokumente, unter anderem die Siebentagesübersicht der Operation ›Schwertfisch‹, die von der internen Kontrollkommission stammte. Sie war mit einiger Verzögerung soeben hereingekommen.
Auf der Titelseite der Zeitung war das Foto eines weißen Ford Transit zu sehen, darunter stand: »Ein ähnliches Fahrzeug wurde vom Verdächtigen benutzt. «
Außerdem war das kopierte Nummernschild abgebildet, zusammen mit dem Aufruf, sich umgehend bei der Polizei zu melden, falls man das Fahrzeug zwischen 14.00 und 17.00 Uhr am vergangenen Tag gesehen hatte.
Der Eigentümer des Lieferwagens war ziemlich aufgebracht. Er arbeitete als Dekorateur und hatte, weil der Wagen streikte,
Weitere Kostenlose Bücher