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Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition)

Titel: Du sollst nicht töten: Mein Traum vom Frieden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Todenhöfer
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Brega. Dort werden sie von ihren Kameraden erwartet. Wir – Abdul Latif, Julia, Yussuf und ich – sind zu diesem Zeitpunkt ebenfalls nur noch 30 Kilometer von Brega entfernt. Von Osten kommend.
    Plötzlich werden Gaddafis Soldaten von Rebellen angegriffen. Man hört das kehlige Bellen von Maschinengewehren. Einer der Gaddafi-Kämpfer hechtet von seinem Pritschenwagen herunter. Auf der Schulter trägt er eine Panzerabwehrrakete. Vor ihm brennen die Erdölraffinerien Bregas. Im Abendlicht sucht er nach lohnenden Zielen. Ein abenteuerliches Bild.
    Auch seine Kameraden springen aus ihren Fahrzeugen. Hektisch schwärmen sie aus. Sie wissen nicht, woher die Schüsse kommen. Das Fahrzeug unseres Hobbykameramanns wird ebenfalls beschossen. Deckung suchend, schleudernd rast es von der Straße herunter. Zu spät? Die Bilder verwackeln, verschwimmen.
    Irgendwann, irgendwo findet man die Kamera neben der Leiche des jungen Mannes. Vor Brega oder vor Bengasi? Bengasi selbst hat unser Hobbyfilmer nie erreicht.
    Intervenieren – ja oder nein?
    Ich hatte mich in jenen Tagen heftig gegen eine westliche Militärintervention in Libyen ausgesprochen. Auch nach dem Tod Abdul Latifs und nach unserer Beschießung im Tal der Flammen. So wie später in Syrien. Ich habe etwas gegen die Ermordung von Kindern, von Zivilisten.
    Doch im Fall Gaddafis war dieser Kampf aussichtslos. Der libysche Diktator hatte seinen Gegnern die Dämonisierung zu leicht gemacht. Zwar hatte ihm der Westen die mörderischen Anschläge auf einen US -Jumbojet über Lockerbie und auf eine Berliner Diskothek gegen hohe Geldzahlungen verziehen. Doch als in Bengasi der Aufstand losbrach, lieferte Gaddafi mit Hasstiraden gegen die Aufständischen genau die Stichworte, die der Westen für seinen Krieg brauchte.
    Gaddafi nannte die Aufständischen »ekelhafte Ratten«, die er jagen werde. »Zenga, zenga – Gasse für Gasse, Haus für Haus, Zimmer für Zimmer. Bis in die Klos.« Jeder Kenner Libyens wusste, dass Gaddafi immer ein Maulheld war. Er hatte ja auch angekündigt, den Westen militärisch zu zerschmettern. Sein Leben lang hatte er derartige Sprüche geklopft, ohne dass man sie auf die Goldwaage legte. Doch dieses Mal nahm man ihn beim Wort. Wer so rede und gleichzeitig seine Panzer nach Bengasi schicke, sei zu jeder Massenschlächterei fähig, argumentierte der Westen. Er beschloss, in Libyen zu intervenieren. Im Namen der Menschlichkeit.
    Jeder, der die westliche Libyenpolitik auch nur am Rande verfolgt hatte, wusste, dass die NATO nicht intervenieren wollte, um den Libyern zu helfen. Ihr ging es in Libyen nie um Menschlichkeit. Der Westen beschloss einzugreifen, weil er glaubte, dass er mit Bomben jetzt mehr erreichen könne als mit den Verhandlungen der letzten Jahre. Gaddafi hatte sich zwar längst in die »Antiterrorfront« des Westens eingereiht. Doch er tanzte noch immer nicht richtig nach der Pfeife der USA . Jetzt gab es die einmalige Chance, eine prowestliche Regierung herbeizubomben und dabei noch als Vorkämpfer der Menschenrechte weltweit Beifall und Ruhm zu ernten. Für Kriegsbefürworter eine fantastische Ausgangslage.
    Vor allem McCain, der sich noch wenige Jahre zuvor engagiert für eine strategische Partnerschaft mit Gaddafi eingesetzt hatte, fand plötzlich Bomben auf dessen Haupt erfolgversprechender als das ewige Süßholzraspeln. Das Bombardieren diente ja der Befreiung des libyschen Volkes. Zumindest konnte er das behaupten, nachdem er die Freiheit und die Menschenrechte der Libyer bei seinem damaligen Besuch in Tripolis vergessen hatte.
    Außerdem hatten die USA die Revolutionen in Tunesien und Ägypten verschlafen. Libyen bot vielleicht die letzte Chance, auf das arabische Revolutionskarussell aufzuspringen. Militärisches Eingreifen wurde in dieser Lage fast zur patriotischen Pflicht. Der Mittlere Osten war Amerikas strategischer Vorgarten. Öl war viel zu wichtig, um es allein den Arabern zu überlassen, hatte schon Henry Kissinger erkannt. 100 Da konnte man nichts dem Zufall überlassen. Dass sich Präsident Obama mit Worten vornehm zurückhielt, zeigte nur seine politische Klugheit.
    Sehr schnell verständigte man sich innerhalb der NATO , dass die USA trotz äußerer Zurückhaltung militärisch die Hauptlast tragen würden. Teilweise flogen US -Piloten sogar französische Kampfjets, wie Präsident Obama öffentlich einräumen musste. Nach außen allerdings ließ man Sarkozy den Vortritt. Der brauchte die Feldherrnrolle dringender.

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