Du sollst nicht töten!: Plädoyer für eine gewaltfreie Ernährung (German Edition)
unter Kontrolle zu bringen. Wie uns unberührte Naturschutzgebiete und Studien beweisen, hält sich die Natur von selbst im Gleichgewicht. Wenn es in einem bestimmten Gebiet zu viele Tiere einer Art gibt oder zu wenig Nahrungsangebot vorhanden ist, verringert sich nach einiger Zeit die Anzahl der Geburten auf natürliche Weise, oder die am wenigsten widerstandsfähigen Tiere sterben. Greift der Mensch jedoch ein, passiert das Gegenteil: Durch den Abschuss bringen die Muttertiere mehr Junge als gewöhnlich zur Welt, um ihre Art vor dem Aussterben zu schützen. Außerdem tritt die Geschlechtsreife früher ein. Prof. Dr. Josef H. Reichholf, der die Abteilung Wirbeltiere der Zoologischen Staatssammlung München leitet und an beiden Münchner Universitäten Biologie und Umweltschutz lehrt, bestätigt dies: „Durch die Jagd vermehren sich Wildtiere stärker als unter natürlichen Umständen.“ (1)
Auch die Fütterung durch den Menschen kurbelt die Vermehrung an. Ein weiteres Problem, das der Mensch durch die Jagd schafft, besteht darin, dass vor allem die großen und starken Tiere erschossen werden, weil ihre Trophäen – etwa die prächtigen Geweihe kräftiger Hirsche – bei den Jägern besonders begehrt sind. Das bewirkt, dass sich nicht, wie in der Natur, nur die stärksten, größten und widerstandsfähigsten Tiere vermehren können und durch ihre Revierkämpfe die Paarung der Weibchen mit schwächeren Männchen verhindern, sondern immer mehr schwache Tiere ihre Gene weitergeben und dadurch zu einer Schwächung der gesamten Art beitragen.
Manchmal wird die Jagd auch als Mittel gegen die Ausbreitung von Seuchen gefordert. Epidemien bei Steinböcken und Gämsen in Gebieten ohne natürliche Feinde oder hohe Abschussquoten zeigten aber, dass die Krankheiten nach einigen Monaten auf natürliche Weise wieder verschwanden. (2)
Außerdem ist es für einen Jäger unmöglich, durch das Fernglas auf mehrere hundert Meter Entfernung zwischen kranken und gesunden Tieren zu unterscheiden.
Ein weiteres, vor allem von den Waldbesitzern vorgebrachtes Argument für die Jagd ist der Wildverbiss. Wie überflüssig auch dieser Vernichtungsfeldzug gegen die Wildtiere ist, zeigt beispielsweise eine Langzeitstudie über Rothirsche und weitere Wildtiere im Schweizerischen Nationalpark, die den Zeitraum von 1917 bis 1997 umfasst. Der Nationalpark wurde 1914 gegründet. Beutegreifer wie Luchs, Wolf und Braunbär waren im Park schon vor der Gründung vom Menschen ausgerottet worden und kommen bis heute dort nicht vor. Die Rothirsche leben unbejagt in durchschnittlichen Dichten von 10 – 15 Tieren pro Quadratkilometer. Immer wieder wurde die Befürchtung geäußert, die große Zahl der Rothirsche im Nationalpark würde den Wald gefährden. Doch das Gegenteil ist der Fall: Trotz besonders hoher Wildbestände hat die Anzahl der Bäume stark zugenommen, und es ist, wie es der Vergleich alter und neuer Luftbildaufnahmen bestätigt, zu einer großen Waldausbreitung gekommen.
Ein weiteres Beispiel liefert der 72.000 Hektar große Nationalpark Gran Paradiso im Nordwesten Italiens, wo neben 6.000 Steinböcken auch Gämsen, Rehe, Hirsche, Wildschweine, Hasen, Füchse, Marder und Adler leben. Seit 1922 wird dort nicht mehr gejagt, und es wurden bisher keine negativen Entwicklungen für den Wald beobachtet. Auch im Schweizer Kanton Genf, in dem seit 1975 ein Jagdverbot durch Volksentscheid verhängt wurde, herrscht störungsfreie Harmonie zwischen Wald und Wildtieren. Dazu der Biologe Karl-Heinz Loske: „Der Weinbau-Kanton ist ein Refugium für viele Wildarten. So schwimmen hier zum Beispiel jährlich nach Beginn der Jagdsaison in Frankreich ganze Rotten von Wildschweinen als Jagdflüchtlinge durch die Rhone, um das jagdfreie Genf zu erreichen. Anders als in Frankreich sind sie hier überwiegend tagaktiv und weniger scheu, denn die Genfer bezeichnen ihr Wildschwein als „Symbol für die Natur“.“ (3) Die Natur kümmert sich um alles – wir müssen sie nur lassen!
Jährlich werden also etwa eine Million Wildtiere in Österreich und sechs Millionen in Deutschland völlig unnötig von Jägern erschossen, erschlagen oder grausam in Fallen getötet. Viele der Schüsse verfehlen ihr Ziel und töten die Tiere nicht, sondern verletzen sie lediglich. Die angeschossenen und bedrängten Tiere schreien, heulen, quieken, fauchen, erstarren, zittern am ganzen Körper oder krümmen sich vor Schmerzen – ein unsagbares Leid, das der Mensch diesen
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