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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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Monaten aufgehört«, sage ich schnell und hoffe, er versucht es noch einmal damit. Das Clonazepam war nervig, hat aber wenigstens nichts mit meinem Kopf angestellt. Wer weiß schon, was mit mir passiert, wenn er etwas Stärkeres probiert? »Ich habe es regelmäßig abgeholt, aber nicht eingenommen. Es tut mir wirklich leid. Dieses Mal werde ich mir mehr Mühe geben.«
    »Sehr gut.« Er grinst wie ein Honigkuchenpferd. »Das ist ausgezeichnet, Michael, wirklich ausgezeichnet. Sie werden das neue Medikament mögen. Ich freue mich schon darauf …«
    »Warten Sie mal«, unterbreche ich ihn. »Ein neues Mittel? Ehrlich? Ich dachte, wir machen Tests und eine Therapie und reden dann darüber.« Ich weiche vor ihm zurück. Nicht sehr weit, höchstens einen Fingerbreit. Ich trage die Gurte nicht mehr und will keinen Grund liefern, dass sie mir wieder angelegt werden. »Wir müssen doch nicht gleich mit den Medikamenten anfangen.«
    »Ich versichere Ihnen, Michael, Sie haben nichts zu befürchten. In gewisser Weise ist Loxitan nur eine andere Art von Clonazepam. Hat man Ihnen im Krankenhaus erklärt, was es mit Dopamin und Serotonin auf sich hat?«
    »Ja.« Ich schlucke schwer und sehe jetzt auch die Pille. Ein grüner Brocken in einem kleinen Plastikbecher. Er hebt ihn hoch, als wäre nichts dabei, und ich schrecke zurück wie vor einer Schlange.
    »Ausgezeichnet«, sagt Doktor Little. »Das Clonazepam, das Sie früher genommen haben, hält Ihr Gehirn davon ab, zu viel Serotonin zu produzieren, und das hat einigermaßen funktioniert, solange Sie es genommen haben. Anscheinend hat es aber nicht ausgereicht, um die Verschlechterung Ihres Zustands zu verhindern. Das Loxitan dagegen« – er schüttelt den Plastikbecher, in dem die Pille klappert – »reduziert den Dopamin­verbrauch Ihres Gehirns. Wir hoffen, es wirkt viel besser. Ihre Krankengeschichte belegt, dass Sie auf alle Mittel sehr stark reagieren, deshalb beginnen wir mit einer kleinen Dosis, mit zehn Milligramm. Anschließend entscheiden wir, wie es weitergeht. Sind Sie bereit?«
    »Warten Sie.« Ich weiche noch weiter zurück. »Können wir nicht mit etwas anderem anfangen? Können wir nicht erst mal darüber reden und dann entscheiden, ob ich die Mittel überhaupt brauche?«
    »Ihre Diagnose zeigt bereits, dass die Mittel nötig sind«, erwidert er lächelnd. »Die Tatsache, dass das Clonazepam eine positive Wirkung hatte, so gering sie auch war, belegt übrigens, dass die Mittel bei Ihnen auch in Zukunft hilfreich sein werden. Außerdem sind Ihre wiederholten Ausbrüche im Krankenhaus starke Indizien dafür, dass Ihr Zustand, ob man ihn nun Schizophrenie oder anders nennt, in ein akutes Stadium übergetreten ist. Gewiss werden wir auch reden, wie Sie es vorschlagen, aber es gibt keinen Grund, die Gabe der Medikamente aufzuschieben.«
    »Sind Sie denn sicher, dass mir dabei nichts passiert?« Ich denke an den Kernspin und schaudere unwillkürlich. »Sind Sie sicher, dass da nichts drin ist … oder dass es nicht … ich weiß auch nicht …« Ich schließe die Augen. Was will ich eigentlich sagen?
    »Jedes Mittel hat auch Nebenwirkungen«, erklärt Doktor Little und tritt näher an mich heran. Inzwischen hält er ein Glas Wasser in der anderen Hand. »Wir werden aber gut auf Sie aufpassen und dafür sorgen, dass Ihnen nichts passiert. Sagen Sie Ah .«
    Ich will protestieren, doch er schiebt mir die Pille in den Mund und kippt einen Schluck Wasser hinterher. Ich spucke und mache mir das Hemd nass, aber die Pille ist schon unten. Sie ist in mir drin, und es fühlt sich an, als hätte ich ein Loch im Bauch.
    »Ausgezeichnet.« Doktor Little lächelt breit. »Jetzt ruhen Sie sich etwas aus, und dann legen wir die Termine für die Gruppentherapie fest.«
    Ich nicke, und der Arzt entfernt sich. Der Wachmann begleitet ihn.
    »Tja.« Der Pfleger klopft mir auf die Schulter. »Willkommen in Powell. Was möchten Sie als Erstes tun?«
    Abhauen, hätte ich beinahe gesagt, aber ich bremse mich, denke kurz nach und lächle. Wenn die Klinik ein Teil des Plans ist, und die Gesichtslosen beobachten mich, dann kann ich hier am ehesten herausfinden, worin der Plan eigentlich besteht. Es hilft mir nicht, wenn ich fliehe, solange ich nicht weiß, wie sie mich aufspüren. Wenn ich aber bleibe und die Augen offen halte, erfahre ich vielleicht etwas Wichtiges.
    »Führen Sie mich herum«, sage ich. »Zeigen Sie mir alles.«
    Das Entscheidende in Powell oder in jeder Nervenklinik ist die

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