Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
Vom Netzwerk:
einen weiteren Pfleger mitgebracht. Verlegen und besorgt, weil sie mich erwischt haben, richte ich mich auf. Wissen sie, was ich gesucht habe?
    Doktor Little kommt auf mich zu. »Alles in Ordnung, Michael? Devon sagt, Sie hätten einen Anfall gehabt.«
    Ich blicke zu Devon hinüber. Er hat es verursacht, oder nicht? Spielen sie mir etwas vor, damit ich ihnen vertraue, oder wissen sie es wirklich nicht? Vielleicht hat auch Devon ein Implantat, und sie benutzen ihn, um mich zu erwischen.
    »Michael?«, fragt Doktor Little.
    »Es geht mir gut«, antworte ich rasch. Was sie mit mir getan haben, war real. Es hat wehgetan, es war ein realer Schmerz, aber das verrate ich ihnen nicht. »Es war nur … es war nichts weiter.«
    »Sie haben Devon gestoßen«, sagt Doktor Little streng. »Glauben Sie, das ist ein angemessenes Verhalten?«
    Mir sinkt das Herz. »Nein, Sir.«
    »Trotz Ihrer Gewalttätigkeit im Krankenhaus haben wir Ihnen die Gurte abgenommen, nachdem Sie versprochen hatten, sich friedlich zu verhalten. Müssen wir Sie wieder festbinden?«
    »Nein, Sir, das ist nicht nötig.« Ich schlucke schwer und weiche Devons Blick aus. »Es ist nur so, dass … es wird nicht wieder vorkommen.«
    »Dann reißen Sie sich zusammen«, sagt Doktor Little. Schlagartig ist das Lächeln wieder da. »Es freut mich, dass wir zu einer Verständigung gekommen sind. Da ich schon einmal hier bin, kann ich Ihnen auch gleich sagen, dass Sie Besuch haben. Das heißt, es wurde ein Antrag auf Besuchserlaubnis gestellt. Ich habe ihr gesagt, dass die Besuchszeiten für heute vorbei sind, aber sie wird gleich morgen wiederkommen.«
    »Wer ist es?«
    »Eine Freundin.«



Lucy besucht mich kurz nach dem Frühstück – es gibt Hafergrütze, Apfelsaft und Loxitan auf einem Tablett, das ich mir aus einem schweren Plastikwagen nehme, der wie ein rollender Wandschrank daherkommt. Wahrscheinlich könnte ich mich in seinem Innern verstecken. Ich müsste nur hineinkriechen, wenn es niemand sieht, und mich ganz still verhalten. Dann würden sie mich durch das Tor in die Freiheit schieben.
    »Michael!« Lucy eilt quer durch den Gemeinschaftsraum, hält meine Hand, umarmt mich und drückt mich herzhaft. Ich schließe die Augen, ihr Herz pocht dicht an meinem. Sie küsst mich auf das Ohr, und ich spüre Tränen auf der Haut. »Oh, Michael, Michael!«, sagt sie. »Es tut mir so leid. Ich bin sofort gekommen, nachdem ich es erfahren hatte.«
    »Schon gut.«
    Sie zieht sich zurück und hält weiter meine Hand, während sie mich besorgt betrachtet. »Nein, es ist nicht gut.« Sie ist schön. Sie hat sich wieder die Haare gefärbt, dieses Mal schwarz, und damit die violetten Strähnchen überdeckt, die sie noch vor ein paar Wochen trug. Sie bemerkt den Blick, zuckt mit den Achseln und wickelt eine Strähne um den Finger. »Ich wusste nicht, ob sie mich so bunt hereingelassen hätten. Es macht mir aber nichts aus, ich mag Schwarz.« Sie zieht sich einen Stuhl heran, und wir setzen uns. Es fühlt sich vertraut und behaglich an, wie sie da mit den abgetragenen schwarzen Jeans, dem schwarzen T -Shirt und dem Lächeln auf den Lippen vor mir sitzt.
    Ich halte ihre Hand. »Wo warst du bloß? Die Klinikverwaltung konnte dich nicht erreichen. Ich dachte schon, dir sei etwas zugestoßen.«
    »Wahrscheinlich hatten sie noch die alte Telefonnummer«, erwidert sie. »Ich musste etwas überstürzt um­ziehen. Aber wo hast du nur gesteckt? Das ist doch die Frage. Ich suche dich schon seit Wochen und dachte, du hättest wieder einen depressiven Schub oder so etwas. Dein Dad sagte, du seist nicht mehr nach Hause gekommen.«
    »Hat er wirklich mit dir gesprochen?«
    Sie verdreht die Augen. »In gewisser Weise schon. Er kann mich immer noch nicht leiden, aber dieses Mal hat er mich nicht völlig übersehen, sondern mir vorgeworfen, ich sei mit dir weggelaufen. Ich habe zwei und zwei zusammengezählt und mir gedacht, dass er auch nicht wusste, wo du steckst.«
    Rasch sehe ich mich um. Einige andere Patienten beäugen uns, aber keiner ist nahe genug, um zu lauschen, und die einzige Ärztin im Raum hält weiter hinten am Fernseher eine Therapiesitzung ab. Ich beuge mich zu Lucy vor und flüstere mit ihr.
    »Ich bin vor jemandem weggelaufen.«
    Sie wird ernst. »Vor wem denn?«
    Unauffällig mache ich eine Geste, die den ganzen Raum einschließt. »Was glaubst du? Die Einzelheiten sind mir nicht ganz klar, aber …« Ich beuge mich noch weiter vor. »Erinnerst du dich, dass ich dir von

Weitere Kostenlose Bücher