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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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blicke ich in die Runde, ob Gesichtslose in der Nähe sind, und halte Ausschau nach Kameras und anderen Geräten, mit denen sie mein Implantat auslösen oder meine Gedanken lesen können. An der Wand hängt eine Uhr, deren schwarze Zeiger wie ein Schere über der Zehn zuklappen. Kann eine Uhr ein Signal aussenden? Was verbirgt sich dahinter? Sie nennen es einen Zeitmesser. Aber wenn nun …
    »Michael?«
    Erschrocken wende ich mich um. Hinter mir steht die Frau, die ich im Krankenhaus kennengelernt habe, die Reporterin.
    »Entschuldigung«, sagt sie. »Anscheinend wird es zur Gewohnheit, dass ich Sie erschrecke. Das wollte ich nicht.«
    »Sie …« Mir ist nicht wohl, ich kann aber den Grund dafür nicht nennen.
    »Kelly Fischer«, sagt sie und gibt mir die Hand. »Von der Sun .«
    Ich schlage nicht ein. »Sie sind tatsächlich gekommen.«
    »Danke, dass Sie mich nicht verraten haben.« Sie holt sich einen Stuhl und setzt sich. »Ich habe mich zu­rückgezogen, weil ich dachte, Sie seien ein Verdächtiger, doch mein Redakteur meint, ich solle trotzdem mit Ihnen sprechen. Sie werden ja nicht offiziell verdächtigt, also darf ich Sie interviewen, solange es keine Verlautbarung gibt, und wir sind den anderen um eine Nasenlänge voraus.«
    Irgendetwas stimmt nicht mit ihr. Ich beobachte sie genau. Sie beobachtet umgekehrt auch mich und wartet auf irgendetwas. Da ich nichts sage, beugt sie sich schließlich vor und legt mir eine Hand auf das Knie. »Wir tun wirklich alles, um Sie hier herauszuholen, genau wie ich es versprochen habe.«
    »Wie kann ich Ihnen vertrauen?«
    »Wir stehen auf Ihrer Seite, Michael. Das müssen Sie mir glauben.« Sie holt Notizblock und Stift aus der Tasche und hält beides hoch. »Kein Rekorder, wie Sie es wollen. Nur der Stift. Meine Freundin im Krankenhaus sagt, Sie leiden unter Gedächtnisverlust. Trifft das zu?«
    Ich lasse mir Zeit, um ihre Frage einzuschätzen. Worauf will sie wirklich hinaus? Jedenfalls kann es nicht schaden, etwas zu bestätigen, was sie sowieso schon weiß. Ich zucke mit den Achseln. »Ja.«
    »Geht es um einen Zeitraum von ungefähr zwei Wochen?«
    Ich nicke.
    »Hören Sie Michael, Sie müssen schon ein bisschen gesprächiger werden. Haben Sie vielleicht eine Ahnung, wo Sie während dieser zwei Wochen waren?«
    Ich betrachte ihr Gesicht und ringe mit mir. Sage ich überhaupt nichts mehr? Erzähle ich ihr alles? Woher weiß ich, wo genau ich aufhören muss? »Es ist alles ziemlich verschwommen«, berichte ich. »An gewisse Einzelheiten erinnere ich mich. Es sind ziemlich alberne Dinge wie der Griff eines Wasserhahns, aber ich weiß nicht mehr, wo ich war und warum ich überhaupt irgendwo war. Die Polizei hat mich unter einer Brücke aufgegriffen. Anscheinend war ich auf der Flucht und bin aus einem Fenster gestürzt. So haben sie mich schließlich … erwischt.«
    Irgendwie habe ich das Gefühl, diese Szene schon einmal erlebt zu haben. Mir wird übel.
    »Lassen Sie uns weiter zurückspringen«, schlägt sie vor. »Hatten sie seit Ihrer Kindheit irgendwann einmal Kontakt zu den Kindern der Erde?«
    »Nein, überhaupt nicht.«
    »Sie haben die Gruppe auch nicht aufgesucht und keine Mitglieder der Sekte getroffen?«
    »Warum sollte ich solche Leute freiwillig aufsuchen?«
    »Michael, ich greife nach Strohhalmen. Wenn Sie etwas Brauchbares sagen würden, dann müsste ich es Ihnen nicht so aus der Nase ziehen.«
    »Was erwarten Sie von mir?«
    »Sie haben mir erzählt, dass Sie die Kinder der Erde hassen«, sagt Kelly. »Und Sie brächten sie lieber um, als sich mit ihnen einzulassen. Nun möchte ich wissen, ob Sie irgendwann einmal auch dementsprechend gehandelt haben.«
    Ein nervöses Flattern durchzieht meine Brust. »Was?«
    »Sie haben die Sekte offensichtlich gehasst, und Sie haben darüber nachgedacht. Im Krankenhaus haben Sie gezeigt, dass Sie gewalttätig werden können, wenn jemand Sie ärgert. Ich glaube, es liegt gar nicht so fern, Sie zu fragen, ob Sie jemals erwogen haben, Ihren Hass auch auszuleben.«
    »Ich will nicht weiter mit Ihnen reden.«
    »Das ist aber sehr wichtig.«
    »Ich bin kein Killer!«
    Die Leute sehen zu uns herüber, sogar die Ärztin in der Ecke unterbricht die Therapiesitzung und wendet sich zu uns um.
    »Ich bin kein Killer«, zischele ich. »Die Killer sind die, die mich verfolgen. Ich bin das Opfer.«
    »O Mann.« Kelly reißt die Augen auf. »Die verfolgen Sie? Die Kinder der Erde?«
    Ich brummele etwas und schüttle den Kopf. Wieder

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