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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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unterdessen unter vier Augen mit Mike.« Sie lässt ihn am Tisch stehen und kommt mit leichtem Lächeln auf mich zu. »Geht es Ihnen nicht gut, Michael?«
    »Das ist alles völlig witzlos.«
    »Warum denn das?«
    Ich schüttle den Kopf. »Ich komme sowieso nicht mehr von hier weg. Jedenfalls nicht lebend.«
    »Glauben Sie, Ihr Leben sei hier in Gefahr?«
    Ich wende den Blick ab, denn ich will ihr nicht erklären, was für ein Versager ich bin. Sie würde mir doch nur irgendetwas Aufmunterndes über Sonnenschein und Glücklichsein und anderes dummes Zeug erzählen.
    »Kommen Sie mit, Michael, ich möchte Ihnen etwas zeigen.«
    Ich folge ihr durch den Gemeinschaftsraum, vorbei an Patienten, die Tische abwischen und einander aus Büchern vorlesen oder alle möglichen absonderlichen kleinen Spiele spielen. Seit zwei Monaten bin ich hier. Was soll das alles? Ich komme nicht mehr lebendig hinaus.
    Wie lange halte ich das noch aus?
    »Heute habe ich etwas ganz Besonderes für Sie«, sagt Linda. Sie bleibt bei den Sofas stehen. »Dies wird die beste Therapiesitzung, die Sie je hatten.« Sie hält inne und wartet, dass ich etwas sage. Ich schweige. Nach einer Weile spricht sie weiter. »Wie ich schon zu Steve sagte, üben wir heute Sozialverhalten. Wir helfen Ihnen, die nötigen Fähigkeiten zu erwerben, um draußen in der realen Welt zu bestehen. Für die meisten Menschen hier heißt dies, dass sie putzen, aber jeder ist anders. Steve kann ziemlich gut putzen, deshalb geht es bei ihm um berufliche Fertigkeiten. Das scheint etwas sehr Einfaches zu sein, aber indem er mit einer alten Registrierkasse und Plastikgemüse spielt, bereitet er sich darauf vor, draußen zu leben und einen richtigen Job zu bekommen. Er steht wahrscheinlich schon ziemlich kurz davor.«
    Ich schweige beharrlich, starre den Boden an und lausche einem Zug, der in der Ferne pfeift. Es gibt noch andere Stimmen, zornig flüsternde Stimmen, auf die ich jedoch nicht höre. Sie sagen nie etwas Gutes.
    »Was möchten Sie gern tun?«, fragt Linda.
    Ich schüttle den Kopf. »Auf jeden Fall nicht putzen.«
    »Schon gut. Darum wollte ich Sie auch nicht bitten. Manchmal ist die Sozialtherapie noch viel einfacher. Manchmal soll man dabei lernen, sich anzupassen. Es zu schaffen, keine Angst mehr zu haben.«
    Beunruhigt hebe ich den Kopf, doch es spielt keine Rolle, was sie von mir will. Nichts spielt noch eine Rolle.
    »Ich möchte, dass Sie sich hinsetzen« – sie führt mich zu einer Couch – »und fernsehen.«
    Brüsk ziehe ich mich zurück und entreiße ihr die Hand. »Das kann ich nicht.«
    »Sie sollen sich nur hinsetzen«, sagt sie lächelnd. »Für alle anderen ist Fernsehen Freizeit, eine kleine Belohnung. Bei Ihnen dient Fernsehen als Therapie. Sind Sie nicht ein echter Glückspilz?«
    »Das kann ich nicht.« Ich schüttle den Kopf. »Ich kann mich nicht hinsetzen und den Apparat einschalten, ich kann nicht zusehen …«
    »Ich dachte, es ist sowieso alles egal.«
    »Ist es auch!«
    »Passen Sie auf.« Linda postiert sich zwischen mir und dem Fernseher. »Passen Sie ganz genau auf. Es wird überhaupt nichts passieren.«
    »Sie verstehen nicht …«
    »Ich verstehe es sehr gut«, unterbricht sie mich ruhig. »Deshalb mache ich das ja. Fernseher, Handys und Computer und alle diese Geräte sind nicht da, um Ihnen zu schaden. Niemand liest Ihre Gedanken, niemand beeinflusst Sie.«
    »Ich kann das nicht«, keuche ich. »Ich kann nicht …«
    »Sie müssen hier wieder entlassen werden«, sagt sie. »Vielleicht glauben Sie mir nicht, aber Sie werden irgendwann hinausgehen. Eines Tages sind Sie glücklich, gesund und frei. Sie werden ein Heim, einen Job und Freunde haben. Wollen Sie dann ständig Angst vor Fernsehern haben?«
    Ich schließe die Augen. Der Kopf schwankt hin und her.
    »Sehen Sie mich an!«, verlangt sie, während sie mir den Kopf mit beiden Händen festhält. »Sehen Sie mich an, Michael.« Langsam öffne ich die Augen. »Gut so. Jetzt hören Sie zu. Sie haben schon viel zu lange Angst vor elektrischen und elektronischen Geräten. Selbst wenn die Medikamente wirken und die Halluzinationen verschwinden, haben Sie aus reiner Gewohnheit immer noch Angst davor. Die Apparate sind aber nicht schädlich. Können Sie das aussprechen?«
    »Nein«, flüstere ich.
    »Beginnen wir mit etwas Einfachem«, sagt sie. Sie setzt mich auf das Sofa. Als ich mich entziehen will, hält sie mich fest. Nun sitze ich da und sehe hinter ihr den stummen schwarzen Apparat, der

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