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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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ganzen Körper. Jemand schleppt mich den Flur entlang zum Gemeinschaftsraum, wo die Schmerzen sofort nachlassen. Als mich der Pfleger auf einen Stuhl niederdrückt, wird mein Kopf allmählich wieder klar – oder jedenfalls so klar, wie er unter den Nachwirkungen des Seroquels überhaupt sein kann. Ich blicke auf. Doktor Little steht auf einer, der große Pfleger auf der anderen Seite. Der Raum wackelt wie wild.
    »Alles in Ordnung?«, fragt der Pfleger.
    »Warum haben Sie das mit mir gemacht?«, frage ich.
    »Wir haben überhaupt nichts gemacht«, erklärt Doktor Little. »Mein Handy hat geklingelt, und Sie hatten eine akute Panikattacke.«
    »Die Kopfschmerzen haben eingesetzt, bevor das Handy klingelte«, widerspreche ich. Ich schließe die Augen und atme bewusst langsam, um das rasende Herz zu beruhigen. »Es war nicht das Telefon, sondern das Zirpen aus dem Lautsprecher. Es war wie ein Angriff mit einer Schallwaffe. Sie haben mich absichtlich lahmgelegt!«
    »Das Zirpen war das Telefon«, erwidert der Pfleger. Ich öffne die Augen und sehe ihn überrascht an. Auch Doktor Little scheint verblüfft.
    »Die Lautsprecher produzieren die Geräusche mithilfe magnetischer Felder«, erklärt der Pfleger. »Wenn ein Handysignal das Magnetfeld stört, verzerrt es sich, und es entsteht ein Geräusch. Das passiert bei mir zu Hause andauernd.«
    Doktor Little sieht erst ihn, dann mich an. Er holt das Handy hervor, und ich weiche zurück.
    »Bleiben Sie hier, Michael. Carter, kommen Sie mit!« Er nickt in Richtung des zehn oder fünfzehn Meter entfernten Flurs. Der Pfleger folgt ihm. »Haben Sie ein Handy dabei?«
    Der Pfleger nickt und zieht es aus der Tasche. Doktor Little gibt ihm seine Nummer. »Tippen Sie die Zahlen ein, aber bauen Sie die Verbindung noch nicht auf.« Er kehrt zum Stationszimmer zurück, und ich stehe auf, um besser sehen zu können, wobei ich aber dem Pfleger mit dem Handy nicht zu nahe komme. Steve und ein paar andere Patienten schlendern herbei und beobachten die Szene ebenfalls. So besorgt haben wir Doktor Little noch nie gesehen.
    »Gut!«, ruft der Arzt, als er vor den Lautsprechern steht. »Jetzt rufen Sie an.« Er hält das Handy vor die Lautsprecher, und der Pfleger drückt auf einen Knopf seines Geräts. Vorsichtshalber ziehe ich mich einen weiteren Schritt zurück. Ein paar Sekunden später zirpen die Lautsprecher noch einmal. Es ist ein lautes rhyth­misches Piepsen. Gleich darauf schlägt das Handy des Arzts an. Doktor Little starrt es kurz an, drückt auf einen Knopf und weist den Anruf ab. Das Klingeln und das Zirpen brechen ab. »Na gut.« Er geht einen Schritt, betrachtet die Lautsprecher. »Na gut.«
    In der Bürotür erscheint eine Schwester. »Das Bild auf dem Monitor hat auch geflackert. Was haben Sie da gemacht?«
    Doktor Little steckt das Handy weg, geht einige Schritte und bleibt stehen. Er hält inne, wendet sich um, hält wieder inne. »Es könnte trotzdem eine psychosomatische Reaktion sein.«
    Ungläubig starre ich ihn an. »Wie bitte?«
    »Wenn Sie von diesem Effekt auf die Lautsprecher wussten, und sei es unbewusst, könnte Ihr Bewusstsein auf das Zirpen ebenso reagieren wie auf das Klingeln eines Handys.«
    »Es ist keine Einbildung«, widerspreche ich. »Es sind reale körperliche Schmerzen. Das Signal stellt irgend­etwas in meinem Kopf an, so ähnlich, wie es auch die Lautsprecher beeinflusst. Ein Mikrochip oder ein Sender oder eine dieser verdammten außerirdischen Wanzen.«
    »Natürlich ist das eine körperliche Reaktion«, stimmt er mir zu, während er sich mir wieder nähert. »Ihr Gehirn ist ein physisches Objekt. Sogar Ihre Halluzinationen sind physische Reaktionen, die durch reale körperliche Impulse und Chemikalien entstehen. Sie haben kein Implantat im Kopf, sondern nur normale Ohren. Sie hören ein Geräusch, Ihr Bewusstsein zieht die Wahnvorstellung zu Rate, und Sie reagieren mit psychosomatischen Schmerzen.«
    »Aber Sie können nicht sicher sein!«, rufe ich aufgebracht. »Sie stellen Mutmaßungen an. Sie wimmeln es ab, wie Sie alles außer Acht lassen, was ich sage.« Ich gehe einen Schritt auf ihn zu, und der Pfleger will schon eingreifen, doch da zückt Doktor Little das Handy, und ich schrecke zurück. Schon bei der Erinnerung an die Schmerzen fahre ich zusammen. Er hält es hoch wie ein Kreuz. Ich weiche weiter zurück.
    Der Arzt schweigt und beobachtet mich. »Es ist nichts weiter«, sagt er schließlich. »Überhaupt nichts. Ich gehe nicht auf Ihre

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