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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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haben.«
    »Ich habe richtige Schlüssel«, erkläre ich rasch. »Sie wechseln die Codes, aber nicht die Schlösser.«
    Schweigen.
    »Es könnte funktionieren«, sagt Jimmy.
    »Saublöd«, widerspricht Brody.
    »Hört mal«, sage ich, »wenn ihr mir frische Sachen besorgt, lege ich sogar die Uniform drauf. Wascht sie, und ihr könnt einfach hineinmarschieren, ohne Aufmerksamkeit zu erregen. Mein Gesicht kennen sie, aber euch haben sie noch nie gesehen.«
    Brody starrt mich mit schmalen Augen an. »Zeig mir die Schlüssel!«
    Ich mache eine entschlossene Miene. »Erst die Drogen.«
    Auf einmal hat Jimmy eine Waffe in der Hand. »Wenn du mit uns Geschäfte machen willst, dann bestimmen wir die Regeln.«
    Ich nicke, ohne die Waffe aus den Augen zu lassen, und ziehe langsam den Schlüsselbund aus der Tasche. »Da sind sie – Außentür, Wartungsgang, Medikamen­tenlager, alles da.« Ich weiß überhaupt nicht, wozu die Schlüssel dienen, gebe mir aber Mühe, überzeugend zu wirken.
    »Das klingt nicht schlecht.« Jimmy wirft Brody einen Blick zu. »Das könnte funktionieren.«
    In der Nähe pfeift ein Zug, es ist ein lautes, durchdringendes Geräusch.
    Brody fährt wieder los. »Zieh die Uniform aus.«
    »Und dann gebt ihr mir das Seroquel?«
    »Er sagt, du sollst die Uniform ausziehen«, knurrt Jimmy und wackelt mit der Pistole.
    »Wir haben einen Deal.«
    »Geld ist ein Deal«, widerspricht Brody. »Du hast bloß eine Handvoll Schlüssel. Woher wissen wir, ob die überhaupt passen?«
    »Warum sollte ich jemanden anlügen, der eine Waffe auf mich richtet?«
    »Weil du ein Junkie bist«, sagt Jimmy. »Junkies sind dumm.«
    Wieder pfeift der Zug. Ich betrachte die Waffe, dann Jimmys Gesicht. Wir fahren durch ein Wohnviertel mit heruntergekommenen, schmutzigen Häusern. Ich brauche die Medikamente, ohne die Mittel komme ich nicht hier weg. Nervös fahre ich mir mit der Zunge über die Zähne, während sich in der Brust ein kaltes, leeres Gefühl entwickelt. Ich halte die Schlüssel hoch.
    Und werfe sie Jimmy direkt in die Augen.
    »Was zum …«
    Er zuckt zusammen und hebt die Hände, um das Gesicht zu schützen, und sobald die Waffe nicht mehr auf mich zielt, greife ich an, packe ihn mit einer Hand am Handgelenk und schlage ihm mit der anderen ins Gesicht.
    »Verdammte …«, schreit Brody. Das Auto schlingert wild, weil er nach hinten blickt und das Lenkrad verreißt, als er gegensteuern will. »Knall ihn ab, du Idiot!«
    Jimmy will auf mich zielen, doch ich bin zu stark. Stark genug, um einen ganzen Raum voller Ärzte in Schach zu halten. Stark genug, um versehentlich einen Mann mit einem Stuhl zu töten. Er gerät in Panik und jagt einen Schuss durch das Dach. Ich schlage ihn wieder und spüre in der Faust das Knacken, mit dem die Nase bricht. Eine Blutfontäne schießt daraus hervor. Brody tritt hart auf die Bremse. Er steigt hastig aus und rennt in die nächste Seitenstraße. Jimmy und ich verlieren durch den Ruck das Gleichgewicht und fallen fast in den Fußraum. Ich entreiße ihm die Waffe, während er mit schmerzverzerrtem Gesicht nach der Nase tastet.
    Ich habe die Pistole. Das Auto rollt langsam aus und bewegt sich schräg zum Straßenrand. Wieder höre ich das Pfeifen des Zugs. Es ist schrecklich laut und schmerzt in den Ohren. Ich halte Jimmy die Waffe vor das Gesicht.
    »Gib mir das Seroquel!«
    »Bist du verrückt, Mann?«
    »Ich wollte das nicht«, sage ich, »aber ich muss mich um wichtige Dinge kümmern. Ich helfe dir, aber dazu brauche ich Seroquel.«
    »Wir legen dich um, Mann. Ich und Brody und alle ande­ren, wir jagen dich und bringen dich um.«
    »Brody ist weggelaufen«, sage ich. »Du bist allein.« Wieder pfeift der Zug. Der Ton durchfährt mich wie eine gezackte Klinge. Ich schneide eine Grimasse und lege die Hände auf die Ohren. »Warum ist der Zug so laut?«
    »Welcher Zug?«
    Wieder ein Pfiff. »Der da!«
    »Was redest du, Mann?«
    Ich sehe mich um. Weit und breit kein Zug. Wir sind in einer Wohngegend, in der es alte Häuser, alte Autos und weit und breit keine Eisenbahn gibt. Als ich Jimmy wieder ansehe, hat er kein Gesicht mehr. Mein Schrei übertönt fast den Zug.
    »Wir legen dich um«, sagt der Gesichtslose. »Wir alle. Du bist tot, ehe du es überhaupt merkst …«
    Ein Schuss löst sich.
    Jimmy keucht und kippt gegen die Tür. Aus einem unregelmäßigen Loch in der Brust strömt dunkelrotes Blut.
    Er knirscht mit den Zähnen, gurgelt und schließt vor Schmerzen die Augen, bis sich

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