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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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hinter den Wolken verborgen. Statt des Himmels und der Sonnenstrahlen sehe ich nur Dunst und Wolken, die von hinten mit einem weichen, diffusen Licht angestrahlt werden. So kann ich die Himmelsrichtung nicht bestimmen. Also marschiere ich aufs Geratewohl einfach los.
    Bald verhalte ich mich wie alle Obdachlosen und achte auf Cops, Hunde und irgendwelche Essensreste oder Geld. Mit gesenktem Blick, damit die Kameras das Gesicht nicht erfassen, schleiche ich an einem Haltepunkt vorbei. Das nasse Haar klebt mir am Kopf, als wäre es mit Schmieröl getränkt. Ein Mann in einem Anzug eilt an mir vorbei zum Zug. Spontan bitte ich ihn um etwas Geld. Ebenso spontan wehrt er mich ab und ist schon vorbei. Ich gehe weiter.
    Unterdessen versuche ich, alles zusammenzufügen, was ich über die Gesichtslosen weiß. Viel ist es nicht, weil ich nicht sicher bin, was den Tatsachen entspricht und was als letzte Wahnvorstellungen eines gestörten Bewusstseins gelten muss. Vermutlich plagen sie mich schon seit einer Ewigkeit, aber Doktor Little sagt, meine Schizophrenie habe erst vor acht Monaten eingesetzt. Davor hatte ich Depressionen und Angstzustände, gegen die das Clonazepam helfen sollte. Hätte sich die Schizophrenie trotzdem entwickelt, wenn ich das Mittel damals genommen hätte? Wird morgen noch etwas Schlimmeres passieren, wenn ich die Schizophrenie heute nicht behandle?
    Die Gesichtslosen – erinnere dich an die Gesichtslosen! Wie lange beobachten sie mich schon? Ganz bestimmt seit mehr als einem Jahr. Wie der FBI -Agent Leonard sagte, behält mich die Regierung seit frühester Jugend im Auge. Steht sie mit den Gesichtslosen in Verbindung? Könnten die Gesichtslosen ohne Hilfe der Regierung eine ganze Klinik übernehmen? Ich weiß es nicht mit Sicherheit. Ich weiß nicht, ob Powell unter ihrer Kontrolle steht oder nicht. Da könnte die Paranoia gesprochen haben. Betrachten wir die Fakten.
    Erstens: Der Raumpfleger Nick war ein Gesichtsloser. Das habe ich durch Augenschein und Betasten festgestellt, als ich unter dem Einfluss eines antipsychotischen Medikaments stand. Er hatte ein Dokument mit Informationen über mich bei sich, das ich noch immer besitze, und darin steht dasselbe, das ich letzte Nacht gelesen habe. So konsistent waren meine Halluzinationen noch nie.
    Zweitens: Vor dem Raumpfleger habe ich andere Gesichtslose gesehen, aber außer mir sind sie niemandem aufgefallen. Entweder ist das Krankenhaus Teil der Verschwörung und hilft ihnen beim Vertuschen, oder ich habe sie wirklich als Einziger bemerkt. Seinerzeit habe ich allerdings noch halluziniert, also waren sie vermutlich nicht real.
    Ich bleibe stehen, weil mir plötzlich etwas einfällt. Das Krankenhaus hat den toten Raumpfleger entdeckt und Vanek unterrichtet, aber niemand hat das Gesicht erwähnt. Natürlich könnte so etwas unter den Teppich gekehrt werden, aber was ist, wenn es einfach nicht wahrgenommen wurde? Was ist, wenn ich die Gesichtslosen nicht deshalb sehe, weil ich verrückt bin, sondern weil nur ich sie so sehen kann, wie sie wirklich sind? Für alle anderen sind es normale, alltägliche Menschen, nur ich erkenne ihre wahre Natur.
    Aber nein, da spricht wieder der schizophrene Narzissmus: Ich bin anders, besser und wichtiger als alle anderen. Es wäre einleuchtender zu sagen, dass ich halluziniere und keineswegs übermenschliche Wahrnehmungsfähigkeiten besitze. Trotzdem … ich habe den Beweis: das Dokument des Raumpflegers. Ich hole es hervor, weil ich es unbedingt sehen, berühren und mich vergewissern will, dass ich nicht verrückt bin. Es ist noch da, es ist immer noch mein Dossier. Andächtig streiche ich mit der Hand darüber und stecke es wieder weg.
    Es gibt eine weitere Tatsache, die ich noch nicht berücksichtigt habe: Die Nachtschwester war bewusstlos. Wenn es der gesichtslose Raumpfleger auf mich abgesehen hatte und wenn das Krankenhaus eingeweiht war, warum war die Schwester dann bewusstlos? Und wo steckte der Nachtwächter? Es scheint naheliegend, dass der Raumpfleger allein gearbeitet, mich seit Monaten beobachtet und mögliche Zeugen ausgeschaltet hat, sobald der richtige Augenblick gekommen war. Doch was hatte er vor? Ich habe die Kleidung und die Gerätschaften untersucht und weder Drogen noch chirurgische Medikamente oder sonst etwas Verdächtiges entdeckt. Nur das Dokument und den Code für das Tor. Wollte er etwa mit mir reden?
    Wollte er mich entführen?
    In der Ferne höre ich eine Sirene, kurz und abgehackt. Ein Cop hat

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