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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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Reklametafeln in einer Sprache, die ich nicht kenne. Ein Pfandleiher, ein Metzger, ein Sexshop. Während das Licht verblasst, werden die Gebäude höher. Ich laufe an der langen Mauer eines Lagerhauses entlang. Am anderen Ende stoße ich auf ein nur zwei Stockwerke hohes Bürogebäude mit dunklen Fenstern. Ich verschwinde dahinter und stehe auf einem kleinen Parkplatz, eigentlich eher in einer Gasse, zwischen diesem und der Rückseite des nächsten Gebäudes. Die Fläche wird fast völlig von drei verbeulten Müllcontainern eingenommen. Zwischen zwei Behältern finde ich Deckung, lehne mich an die Wand und lege die Hand über die Nase, um mich vor dem Gestank zu schützen.
    Nachdem ich Jimmy erschossen hatte, ist sein Gesicht wieder erschienen, gestern Abend bei dem Raumpfleger ist das nicht geschehen. Bedeutet dies, dass Jimmy gar kein Gesichtsloser oder dass der Raumpfleger gar nicht tot war? Habe ich wirklich die Atmung überprüft, oder war das elektrische Summen vor dem Gesicht zu stark? Habe ich den Puls kontrolliert? Ich erinnere mich nicht.
    Wenn der Raumpfleger nicht tot ist, sucht mich die Polizei vielleicht gar nicht. Das Krankenhaus hat sicher Bescheid gesagt, dass man nach mir Ausschau halten soll, aber das heißt nicht, dass eine aktive Fahndung läuft. Brody hat wohl kaum den Notruf gewählt, denn im Auto und in Jimmys Kleidung sind wahrscheinlich massenhaft Drogen versteckt.
    Die Drogen. Ich habe das Seroquel nicht bekommen. Es kam mir doch vor allem darauf an, einen Dealer zu finden, aber am Ende hatte ich Angst und bin weggelaufen. Ich muss irgendwo eine andere Quelle auftun. Vor allem wenn die Halluzinationen tatsächlich wieder einsetzen.
    Gut möglich, dass ich zumindest vorläufig in Sicherheit bin. Ich sehe allerdings immer noch aus wie ein Verbrecher, und in dem Overall bin ich leicht zu erkennen. Erst recht wenn die Anwohner einen gefährlichen, Waffen schwingenden Irren gemeldet haben. Ich brauche frische Kleidung. Unter dem Overall trage ich den Schlafanzug, aber der ist noch auffälliger. Wohin will ich überhaupt? Welchen Plan verfolge ich? Ich hole tief Luft, um mich zu beruhigen. Eigentlich bin ich doch viel klüger. Die Schießerei hat mir Angst gemacht, das ist alles. Beruhige dich.
    Ich brauche Kleidung und Medizin. Beides kann ich zu Hause bekommen. Wenn mein Dad nicht alles weggeworfen hat, müsste sich in meinem Zimmer noch Clonazepam befinden – ganze Flaschen davon, Hunderte von Pillen, die ich abgeholt, aber nie eingenommen habe. Sie sind nicht so stark wie das Seroquel, aber besser als nichts. Wenn ich einen Bahnhof finde, kann ich auf der Karte nachsehen. Sobald ich weiß, wo ich bin, ist auch klar, wohin ich mich wenden muss.
    Nach Hause und dann … zu dem Ort, an dem ich vorher war. Wie Vanek es vorgeschlagen hat.
    In der Gasse regt sich etwas, ich springe erschrocken auf. Vielleicht ist nur ein Müllsack umgekippt und zerplatzt. Ich ziehe die Waffe.
    Ein feuchtes, schmatzendes Geräusch wie von einem Mund. Es klingt nach Kauen oder vielleicht auch Trinken.
    Im Zwielicht betrachte ich die Waffe und fingere am Sicherungshebel herum. In welcher Stellung ist die Pistole gesichert oder feuerbereit? Der Müll regt sich schon wieder, es kratzt und poltert, Flaschen rollen klirrend über den Asphalt. Metall quietscht leise. Ein feuchtes, schweres Klatschen. Ich packe die Pistole fester und wage mich bis zur Ecke der Müllcontainer vor.
    In der Gasse ist es dunkel bis auf den schwachen blau-weißen Schein einer Straßenlaterne hinter der Mauer.
    Wieder höre ich Geräusche, jetzt sogar noch näher. Ich trete zwischen den Containern hervor, um mich der Gefahr zu stellen. Von einigen aufgetürmten Müllsäcken fällt eine halb zerquetschte Coladose herunter. Dann taucht dahinter ein niedriger feuchter Umriss auf – eine Riesenmade kriecht aus dem Müllhaufen auf mich zu. Die glatte Haut wellt sich bei jeder Bewegung.
    Mir bleibt vor Schreck die Luft weg. Ich weiche drei Schritte zurück. Die Hände, die die Waffe halten, zittern.
    »Was willst du?«, frage ich, als ich wieder atmen kann.
    Das Ding schnaubt und schnüffelt mit dem kreisrunden Maul voller Zähne an den Müllsäcken herum.
    Das Zittern der Hände wird heftiger. »Was willst du?«
    Das Monster zieht sich zusammen, es ist ein einziger großer Muskel unter der dünnen weißen Haut, als sammle es sich zum Sprung. Ich halte die Waffe in der Hand und ziele auf das nur drei Schritte entfernte Wesen. Ich muss nur noch den

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