Du stirbst zuerst
schwitze vor Anstrengung und wegen der Hitze. Die Wolken haben sich aufgelöst, und die Sonne steht heiß und hell am Himmel. Der Unterricht ist noch nicht vorbei. Langsam umkreise ich das Gebäude.
»Suchst du was?«
Ich bleibe stehen. Es ist kein alter Mann, wie ich gehofft hatte, sondern ein junger Bursche von höchstens fünfzehn Jahren, den ich schon am Morgen bemerkt habe. Er sitzt immer noch in demselben Auto.
Unsicher, wie ich reagieren soll, erwidere ich seinen Blick. Ich will Drogen kaufen. So einfach ist das nicht. Er könnte ein Lockvogel der Drogenfahnder sein, die schon in der Nähe lauern. Ich zucke mit den Achseln. »Ja.«
»Bist du obdachlos?«
»Ja.«
»Du kannst nicht dauernd um eine Schule herumlaufen, Mann. Die Leute halten dich sonst für einen Perversen. Hast du Geld?«
Ich zögere. Wenn ich Nein sage, interessiert er sich nicht mehr für mich. Ich nicke. »Schon.«
Er lächelt. »Dann brauchst du eine Suppe, Mann. Ich kenne eine gute Suppenküche, die geben dir was zu essen und besorgen dir vielleicht sogar einen Schlafplatz und schenken dir gespendete Sachen. Steig ein!«
»Ich will eigentlich keine Suppe …«
»Steig ein, verdammt.« Sein Gesicht ist hart. Ich nicke und bemerke zu spät, dass es eine Falle sein könnte. Anscheinend bin ich viel müder und hungriger als angenommen. Ich öffne die hintere Tür und steige ein.
»Mann, Brody, der Typ stinkt wie eine Pissrinne!« Hinten sitzt ein junger Mann. »Warum lässt du ihn ins Auto?« Vorher habe ich ihn nicht bemerkt – ist er wirklich da? Er beugt sich vor und schnüffelt. »Hast du letzte Nacht im Freien geschlafen?«
Ich wage nicht, ihm zu antworten. Der andere Bursche wirft mich hinaus, wenn er mich für verrückt hält.
Brody, der Fahrer, lässt den Wagen an und fährt los. »Du willst also gar keine Suppe? Was glaubst du, wie egal es mir ist, ob du Suppe brauchst oder nicht. Wenn ich sage, dass du einsteigen sollst, dann steigst du ein.«
»Ich sitze ja schon im Auto.«
»Was suchst du?«, fragt der Mann auf dem Rücksitz. Ich blicke Brody an und habe immer noch zu viel Angst, um dem anderen Mann zu antworten.
»Sag es ihm, Müllmann. Was suchst du?«
Ich seufze leise, weil er mir damit bestätigt hat, dass der Kerl neben mir wirklich existiert. Ich schlucke. »Ich brauche Neuroleptika«, erkläre ich vorsichtig. »Clozapin ist am besten, aber Seroquel tut es zur Not auch …«
»Ach, du willst Suzy Q?«, fragt Brody. »Das lässt sich machen. Wie viel?« Er fährt langsam und ziellos umher, während wir über den Deal reden.
Ich runzle die Stirn und schlucke. Ich bin nervös und habe Angst. »Was kostet das?«
»So läuft es nicht«, sagt der Bursche auf dem Rücksitz. »Du sagst uns, wie viel du zahlen willst, und wir sagen dir, wie viel du dafür bekommst.«
»Ich …« Ich unterbreche mich. »Kann ich nicht erst mal eine Probe bekommen?«
Brody lacht. »Hast du das gehört, Jimmy? Er will eine kostenlose Probe.«
Brodys Stimme wird hart. »Wir sind hier nicht im Eisladen, Junkie. Bist du von dem Zeug abhängig?«
»Ich brauche es aus medizinischen Gründen.«
»Er ist abhängig«, lacht Jimmy.
»Wie viel willst du?«, fragt Brody.
Ich habe nichts, vor allem kein Geld. Die letzten paar Münzen habe ich für die Suppe ausgegeben. Meine Taschen sind völlig leer, abgesehen von dem Dokument und …
… einem kleinen Schlüsselbund, der dem Raumpfleger gehört hat.
Ich taste durch den Stoff nach den Schlüsseln. »Ich mache euch einen ungewöhnlichen Vorschlag«, sage ich. »Geld habe ich leider keins.«
Jimmy und Brody fluchen gleichzeitig. Brody fährt rechts ran und flucht noch einmal. »Raus.«
»Hört mal …«
»Nein«, ruft Brody, »du hörst mir zu! Du kannst nicht einfach in unser Geschäft kommen und unsere Zeit verplempern. Mir egal, welchen Deal du machen willst, aber wenn du nichts Bares hast, bin ich nicht interessiert. Ende und aus. Raus mit dir, bevor dir was Schlimmeres passiert.«
»Ich arbeite in einem Krankenhaus«, sage ich verzweifelt. »Seht ihr das Abzeichen auf dem Overall? Powell-Klinik für Psychiatrie. Ich arbeite als Raumpfleger. Die Hälfte der Drogen, die ihr verkauft, stammt von dort.«
»Warum musst du dann bei uns welche kaufen?«
»Weil ich rausgeflogen bin und nicht mehr hineinkomme. Aber ihr könnt rein und alles mitnehmen, was ihr wollt.«
Es wird still im Auto.
Brody schüttelt den Kopf. »Die ändern die Zugangscodes, sobald sie jemanden hinausgeworfen
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