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Du stirbst zuerst

Du stirbst zuerst

Titel: Du stirbst zuerst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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bringen. Nur nicht nervös werden. Nicht ausrasten. »Sie haben das Dokument gesehen«, entgegne ich. Ich lege mir eine Hand auf die Stirn, atme tief und betont langsam ein. »Was ist mit dem Dokument?«
    »Dazu kann ich nichts sagen«, erwidert sie. »Es könnte alles Mögliche bedeuten.«
    »Was soll es denn sonst sein, wenn nicht ausgesprochen verdächtig?«
    Sie starrt mich an, beißt die Zähne zusammen und hebt hilflos die Hände. »Ich weiß es nicht! Ich bin keine Psychiaterin und kein … ich weiß nicht einmal, was Sie überhaupt hier wollen.«
    »Sie haben recherchiert«, antworte ich. »Sie haben sich mit dem Killer und den Kindern der Erde beschäftigt. Ich bin hergekommen, weil Sie wissen, wer sie sind, was sie tun und so weiter.«
    »Ich weiß überhaupt nichts«, widerspricht sie. »Niemand weiß etwas. Außerdem arbeite ich nicht mehr an der Geschichte.«
    »Haben Sie es aufgegeben?«
    »Der Redakteur hat die Sache abgeblasen.«
    »Kommt Ihnen das nicht auch wie eine Vertuschung vor?«
    »Er hat die Story gestrichen, weil nichts dran war«, erklärt sie. »Keine Spuren, keine Zeugen, keine Beweise. Wenn die Polizei mehr über die Morde weiß, dann rückt sie nicht damit heraus, und die Kinder der Erde sind wie ein schwarzes Loch. Sie reden mit niemandem, keiner tritt dort jemals aus, und die letzte Reporterin, die sich hineingewagt hat, ist nicht mehr herausgekommen.« Sie verkrampft sich, die Tränen schießen ihr wieder in die Augen. »Sie war meine Freundin.«
    »Hat jemand sie gesucht?«, frage ich. »Ihre Angehörigen, die Polizei, sonst jemand?«
    »Sie musste offiziell der Sekte beitreten, sonst hätte sie gar keinen Zutritt erhalten«, erklärt Kelly. »Sie hat hundert Verzichtserklärungen und Verträge und was sonst noch unterzeichnet, nur um durch die Tür zu gelangen. Niemand kommt mehr an sie heran.« Müde und niedergeschlagen lehnt sich Kelly zurück. »Sie dachte wohl, sie würde damit fertig, aber … anscheinend haben sie ihr eine Gehirnwäsche verpasst. Ich weiß auch nicht …«
    Ich nicke und durchdenke, was ich weiß. Ähnliches hat Agent Leonard über die anderen entführten Kinder berichtet – sie haben sich freiwillig der Sekte an­geschlossen, sind ihr mit Haut und Haaren verfallen und durch nichts in der Welt zu überreden, sie wieder zu verlassen. Das klingt durchaus nach Gehirnwäsche, aber diese Gehirnwäsche ist offenbar vorgenommen worden, bevor die Kinder der Sekte überhaupt beigetreten sind. Es muss in frühester Kindheit geschehen sein – vielleicht mit Implantaten, auch wenn das bei einer technikfeindlichen Sekte nicht gerade einleuchtend klingt. Was sie auch getan haben, bei mir hat es aus irgend­einem Grund nicht funktioniert.
    Ich suche Kellys Blick. »Gibt es irgendwelche Hinweise«, frage ich nachdenklich, »irgendwelche Andeutungen, dass die Sektenmitglieder etwas …« Ich halte inne und bete, dass sie mich ernst nimmt. »Dass man ihnen irgend­etwas in die Köpfe implantiert hat?«
    Kelly beugt sich vor, kneift die Augen zusammen und denkt nach. »Wie kommen Sie darauf?«
    »Ich erzähle den Leuten seit einem Jahr, dass ich das Gefühl habe, mir ist etwas eingepflanzt worden. Es hat begonnen, als die Schizophrenie einsetzte, aber inzwischen glaube ich beinahe, es könnte etwas daran sein.« Ich beobachte sie genau, sie hat die Augen weit aufgerissen. »Sie hören das nicht zum ersten Mal, oder? Wissen Sie etwas?«
    Sie lehnt sich zurück. »Es ist nur …« Sie seufzt und kratzt sich am Kopf. »Es ist seltsam, dass Sie das erwähnen, aber gerade eben, es ist höchstens ein paar Stunden her, habe ich mit einem anderen Autor über den Fall und den Wellnesskiller gesprochen. Die Beweise deuten darauf hin, dass er …« Sie sieht mich an. »Er schlägt den Opfern nicht einfach den Schädel ein, er tötet sie nicht sofort. Unsere Quelle im Büro des Leichenbeschauers sagt, er …« Sie schneidet eine Grimasse. »Er zersticht ihnen das Gesicht. Er stochert darin herum, als erforsche er den Kopf. Er bricht die Nasenhöhle und die Stirnhöhlen auf, als … als suche er etwas.«
    Mein Herz schlägt schneller. Das ist die Information, die mir gefehlt hat. »Erkennen Sie, was es bedeutet? Zwischen dem Mörder, den Kindern der Erde und den Gesichtslosen besteht eine Verbindung. Zu mir auch.«
    »Wieso haben Sie damit zu tun?«
    »Die Kinder der Erde haben schwangere Frauen entführt«, erkläre ich. »Darunter auch meine Mutter. Die Frauen wollten sie allerdings

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