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Du und ich und all die Jahre (German Edition)

Du und ich und all die Jahre (German Edition)

Titel: Du und ich und all die Jahre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Silver
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neu.»
    Ich merke, dass ich noch kein Wort gesagt habe, seit die Bombe geplatzt ist. Den anderen beiden fällt das jetzt auch auf, und sie schauen mich erwartungsvoll an.
    «Nic?», sagt Dom und legt seine Hand auf meinen Arm. «Ist das nicht großartig?» Ich sehe Karl an, der meinen Blick hoffnungsvoll erwidert. Dann zaubere ich mir mein strahlendstes Lächeln aufs Gesicht. «Ja, das ist wirklich … toll. Glückwunsch.»
    Oh Gott, wenn ich nur wegkönnte! Karl soll nicht merken, wie aufgewühlt ich bin. Schnell stehe ich auf. «Tut mir echt leid, aber mir ist richtig komisch. Ich muss ins Hotel zurück.»
    Ich drehe den Kopf weg, während ich meinen Mantel anziehe. Den Ausdruck auf Karls Gesicht könnte ich nicht ertragen. Kurz darauf bahne ich mir einen Weg durch die feuchtfröhliche Gästeschar der Bar und renne die Stufen hinauf, hinaus auf die Straße und mitten hinein in den nächsten Schneesturm. Ich haste den Bürgersteig entlang, geblendet vom strahlenden Weiß überall, und halte verzweifelt nach einem Taxi Ausschau.
    «Nicole!», höre ich Doms Stimme hinter mir. «Warte!» Er hat mich eingeholt, packt meinen Arm und reißt mich herum. «Was zum Teufel denkst du dir eigentlich? Was du eben dadrinnen gemacht hast, war richtig bitter.»
    «Ich weiß, es tut mir leid …», stammle ich.
    «Erzähl keinen Scheiß! Das war einfach nur grausam und gefühllos. Karl hat so was weiß Gott nicht verdient. Von allen Menschen auf der Welt er am allerwenigsten. Du glaubst, dein Schmerz wäre größer als der von jedem anderen, aber auch als der von Karl? Ja? Glaubst du ernsthaft, Karl hat weniger gelitten als du?» Dom lässt meinen Arm los, nein, er schleudert ihn gegen meine Brust. «Er hat es nicht verdient, glücklich zu sein, ist es das?» Dom ist außer sich und schreit mich an. «Nur weil du nicht glücklich sein kannst! Weil du nicht mehr an eine Zukunft glaubst und in deiner Trauer feststeckst, findest du, dass es allen anderen genauso beschissen gehen soll, ist es das?»
    Ich schäme mich, nicht nur weil unser Streit von ein paar coolen Hipsters beobachtet wird, die vor der Tür des Macao auf einen Tisch warten. Dom hat recht, was ich getan habe, war furchtbar, und ich kann es nicht rückgängig machen. Meine erste Reaktion auf Karls bevorstehende Hochzeit wird für immer einer meiner ganz schwachen Auftritte bleiben, daran kann ich nichts mehr ändern. Ich drehe Dom den Rücken zu, gehe die Straße hinunter und um die nächste Ecke.
    «Wo willst du hin?», brüllt er. Dann überholt er mich und stellt sich mir in den Weg. «Du haust ab? Du gehst nicht wieder zurück, um dich zu entschuldigen?»
    «Ich kann jetzt nicht, Dom. Bitte lass mich, ich rede morgen mit Karl oder rufe ihn später an …»
    Ich gehe weiter die Straße hinunter Richtung Norden, fast blind vom Schnee. Dom hält mich wieder auf und packt meinen Arm.
    «Nicole, um Himmels willen, das kannst du nicht machen! Geh mit mir in die Bar, bitte. Komm schon – du und ich, wir gehen jetzt zusammen wieder da rein, du wirst dich entschuldigen, wir trinken noch einen Cocktail und benehmen uns wie zivilisierte Menschen.»
    Er hat recht. Er hat ja recht, ich weiß das. Wenn ich jetzt mitkomme, kann ich wenigstens versuchen, den angerichteten Schaden zu begrenzen. Aber mit Dom, der an mir zerrt, geht es einfach nicht. Ich will nicht, dass Karl denkt, ich wäre nur wieder da, weil Dom mich gezwungen hat. Obwohl es natürlich stimmt.
    «Gut, Dom. Aber ich denke, es ist besser, wenn ich alleine mit ihm rede, okay?»
    Nein, das ist offenbar gar nicht okay.
    «Zum Teufel noch mal!», schreit er mich an. «Ich habe die Schnauze so voll von diesem Scheiß!»
    «Was?»
    «Du läufst vor mir weg. Wie führen keine Ehe mehr, keine Partnerschaft. Du triffst jede deiner Entscheidungen allein. Ich komme gar nicht mehr vor. Egal ob du nun losrennst, um deinen Vater zu besuchen, mitten in der Nacht Gott weiß wohin verschwindest, deinen Laptop in dem Augenblick zuschlägst, in dem ich den Raum betrete, geheime Telefonate führst …» Er hält inne und seufzt resigniert. «Glaubst du, ich merke nicht, wie du ständig auf der Flucht bist? Wie du herumschleichst? Glaubst du, das ist mir egal? Hast du ernsthaft gedacht, ich kauf dir ab, dass du gestern Nacht bis drei Uhr morgens nur ein bisschen herumgelaufen bist?»
    Genau genommen bin ich das tatsächlich.
    «Wo warst du? Los, sag einfach die Wahrheit. Nur einmal. Versuch’s – und schau, wie sich das

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