Du und ich und all die Jahre (German Edition)
nicht. Er war total cool, was das angeht. Echt nett, er meinte, dass er erleichtert ist – sie hatten sich schon Sorgen gemacht, ich hätte Jesus gefunden oder so was.»
«Wer war es dann?»
«Craigs Bruder, ein kompletter Idiot, hatte uns belauscht. Er hatte sich hinter den Büschen versteckt oder so, total pervers. Jedenfalls war er plötzlich da mit seinen zurückgebliebenen Freunden, die offensichtlich nicht viel für schwule Jungs übrighaben. Als Craig und Al zum Schnapsladen gegangen sind, um Bier zu kaufen, haben sein Bruder und der Rest mich nach draußen gezerrt und zusammengetreten.»
«Scheißkerle! Du musst der Polizei erzählen, was passiert ist, Jules.»
«Das macht es nur noch schlimmer, Nic. Es gäbe dann jede Menge Ärger zwischen Craig und mir – sein Bruder mag ein Volltrottel sein, aber er ist immer noch sein Bruder. Ich brauche meine Freunde im Moment sehr, Nic. Du weißt, wie es in der Schule läuft. Ich will jetzt wirklich nicht auch noch die Polizei am Hals haben. Okay?»
«In Ordnung», sagte ich, obwohl das alles so ungerecht war. «Aber du wirst Mom nicht davon abbringen können, deine Eltern anzurufen.»
«Ich kann meinen Vater jetzt nicht ertragen», sagte er kleinlaut. «Deshalb … Deshalb bin ich hierhergekommen. Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann, ich wusste, dass du mich verstehen würdest, auch wenn ich dich verletzt habe und wir seit Ewigkeiten nicht mehr miteinander geredet haben … weil du einfach so bist. Ich wusste, dass alles gut wird, wenn ich bei dir bin.»
Ich ließ Julian in meinem Zimmer allein und ging nach unten, um Mom zu überreden, Julians Eltern anzurufen und sie zu fragen, ob er bei uns übernachten durfte.
«Du kannst doch sagen, dass er ein paar Bier getrunken hat und in eine kleine Auseinandersetzung verwickelt worden ist, aber dass es ihm gutgeht und er sich nur ausschlafen muss.»
«Nicole, ich werde Julians Eltern nicht anlügen.»
«Aber … es ist nicht einmal wirklich gelogen. Er hat ein paar Bier getrunken, und er hatte eine Auseinandersetzung. Er will jetzt noch nicht mit seinem Vater reden.»
Mom kaute nervös an ihren Fingernägeln. Man musste Charles zugutehalten, dass er sich komplett raushielt. Ich hatte es fast geschafft, sie zu überreden, da klopfte es erneut an der Tür.
«Scheiße», sagten Mom und ich gleichzeitig.
«Geh nicht hin», flüsterte ich ihr zu.
«Er hat gesehen, dass Licht brennt …»
«Hallo?», rief jemand von der Veranda, die Stimme war nicht die meines Vaters.
«Vielleicht ist es Craig», sagte ich und schob mich an Mom vorbei, um zuerst an der Tür zu sein.
Es war nicht Craig. Auf der Schwelle stand ein großer dunkelhaariger Mann mit einem Motorradhelm in der Hand. Ich hatte ihn noch nie gesehen, aber er kam mir vertraut vor. Er hatte die gleichen hohen Wangenknochen und langen Wimpern wie Julian, nur wirkte sein Gesicht älter. Und statt Julians braunen Augen hatte dieser Mann grüne. Trübe und gerötete, aber eindeutig grün.
«Hallo, junge Dame», sagte er mit einem verwegenen Lächeln. «Ist für dich nicht längst Schlafenszeit?»
Schlafenszeit? «Wer zum Teufel bist du?», fragte ich verärgert.
Er lachte. «Ist deine Mutter zu Hause?»
«Ich meine es ernst.» Ich war jetzt wirklich sauer. «Wer bist du?»
«Aidan», antwortete er und hielt mir die Hand hin. Er hatte einen leichten schottischen Akzent, gemischt mit einer Prise Nordengland, Manchester vielleicht. «Tut mir leid, dass ich so spät noch störe, aber ich habe gehört, dass mein Cousin hier ist.»
«Du bist Julians Cousin?»
«Genau. Ich sollte ihn von der Party abholen, dort sagte man mir allerdings, er sei schon weg und dass ich ihn vielleicht bei dir finde. Ich wusste nicht, dass er eine Freundin hat.»
«Ich bin nicht seine Freundin, sondern seine Exfreundin.» Aidan fand das seltsamerweise lustig. «Er schläft heute hier», sagte ich zu ihm.
«Das glaube ich nicht», sagte Aidan und machte einen Schritt auf mich zu, um über meinen Kopf hinweg ins Haus zu spähen. Er roch nach Zitrone und Zigaretten. Seltsame Mischung. Ich stellte mich ihm in den Weg, damit er nichts sehen konnte, und verschränkte die Arme vor der Brust.
«Er bleibt heute Nacht hier», wiederholte ich.
Aidan fing wieder an zu lachen. «Wäre es trotzdem möglich, dass ich mit ihm rede?»
«Ich frage ihn, ob er mit dir reden will», sagte ich und drehte mich auf dem Absatz um. Dabei schlug ich Aidan die Tür vor der Nase zu. Was für ein
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