Du und ich und all die Jahre (German Edition)
verdient. Der Typ hat deinen Film gesehen und fand ihn toll – er gibt dir den Auftrag nicht, weil du Aidan kennst.» Julian drückte mich fest und hob mich dabei hoch. «Das ist so toll! Das ist so unglaublich toll!»
Mit schwirrendem Kopf, berauscht vom Wein und dank Julian voll Selbstbewusstsein ging ich noch einmal auf die Suche nach Aidan. Ich sah ihn schließlich an der Bar, wo er sich mit einer kleinen Gruppe von Leuten unterhielt, unter anderem mit Laure und Bertrand. Ich wollte mich schon auf ihn stürzen und mich stürmisch bedanken, doch etwas hielt mich zurück. Wie angeregt er sich mit Laure unterhielt, kam mir sehr merkwürdig vor. Etwas war anders als sonst. Aidan, der eigentlich jedem Menschen in die Augen blickte, schaute sie nicht an. Wenn sie sprach, hörte er zwar zu, aber er sah dabei auf seine Füße oder über ihren Kopf hinweg. Dann drehte sie sich ein wenig, um einer Freundin nachzuschenken, und er legte seine Hand auf ihren Rücken. Da wusste ich Bescheid. Laure schaute zu ihm auf und lächelte. Mir war alles klar. Aidan bemerkte mich, sah meinen Gesichtsausdruck und wusste, dass ich es wusste.
Frische Luft. Ich brauchte frische Luft. Ich drängelte mich durch die schicken, gut aussehenden Pariser und kletterte aus der stickigen Kajüte auf Deck. Ich hatte das Gefühl, meine Beine würden unter mir nachgeben. Außer mir war niemand draußen, und es war beinahe Mitternacht. Alle warteten unten auf den Countdown, die Küsse, den Champagner. Niemand würde mich küssen. Der Traum von Blake Symonds Film war gestorben, der von der perfekten Partnerschaft ebenfalls. Plötzlich wurde mir alles klar. Im Grunde war es offensichtlich gewesen – wie hatte ich nur so dumm sein können? Aidan war nicht unglücklich wegen der trostlosen Wohnung in Battersea oder der Enge einer festen Beziehung. Er liebte mich einfach nicht mehr. So einfach war das. Er hatte sich in jemand anderen verliebt.
Aidan kam an Deck, wo ich an der Reling lehnte, tief die kalte Luft einatmete und versuchte nicht in Tränen auszubrechen. Er legte mir eine Hand auf die Schulter und wollte mich zu sich drehen, damit ich ihn ansah, doch ich schüttelte ihn ab. Ich konnte nicht.
«Nic, ich …»
«Wie lange?»
«Nicole …»
«Wie lange geht das schon, Aidan?»
«Ich wollte nicht, dass das passiert.»
«Bist du in sie verliebt?» Ich stellte die Frage, obwohl ich die Antwort eigentlich nicht hören wollte.
«Wir wollten nicht, dass es passiert.»
Ich begann zu weinen.
«Ich liebe dich», sagte ich mit tränenerstickter Stimme.
«Es tut mir leid.» Er nahm mich in die Arme und zog mich von der Reling weg, drehte mich um, sodass ich ihn ansehen musste und hielt mich fest. «Ich wollte nicht, dass es passiert. Es tut mir so leid, es tut mir so schrecklich leid.»
Ich stieß ihn weg, lief die Stufen zur Gangway hinauf und rutschte aus. Schon wieder. Dieses Mal fing Aidan mich nicht auf. Er versuchte mir aufzuhelfen, aber ich stieß ihn erneut weg. Ich rappelte mich auf, halb blind und verzweifelt, weg, nur weg.
Am Kai blieb ich einen Augenblick lang desorientiert stehen, war nicht sicher, in welche Richtung ich musste. Ich hatte keine Ahnung, ob ich das Hotel alleine wiederfinden würde. Mir wurde übel. Ich fühlte, wie ein Gemisch aus Champagner und billigem Rotwein mir in die Kehle stieg. Na bravo, jetzt war ich auch noch die besoffene Kleine, die sich auf der Silvesterparty vor dem Haus übergeben muss. So hatte ich mir den Abend in Paris nicht vorgestellt, das war nicht der Eindruck, den ich auf den freundlichen Bertrand und die widerliche Laure hatte machen wollen.
Laure mit dem perfekten Teint, den schlanken Armen, dem lässigen Stil und ihrer herablassenden Art. Ich hasste sie. Oh, wie ich sie hasste! Ich wollte zurück auf die Party und Bertrand sagen, dass sie ihn betrog – mit einem Mann, den er für seinen Freund hielt. Und dass ihre ach so tolle Partnerschaft eine Lüge war. Aber was hätte das gebracht? Er wusste wahrscheinlich ohnehin Bescheid. Wahrscheinlich waren er und Laure eines dieser ekelhaften Paare, die eine ganz entspannte Einstellung zum Fremdgehen hatten. Wahrscheinlich kamen sie beide von ihren Affären nach Hause, lagen zusammen im Bett und tauschten ihre Erfahrungen aus.
Mir fehlte der Mumm, wieder aufs Boot zu gehen. Außerdem wollte ich dieser selbstgefälligen Schnepfe nicht auch noch zeigen, wie verletzt ich war. Ich marschierte also los, zurück zum gottverdammten Eiffelturm,
Weitere Kostenlose Bücher