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Du und Ich

Du und Ich

Titel: Du und Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niccolò Ammaniti
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Papa tat sein Möglichstes, um die Beziehung wiederherzustellen.
    »Hasstagebuch … Ein bisschen übertrieben. Und was will sie überhaupt mit diesem ganzen Geld«, sagte ich laut vor mich hin. Es war richtig gewesen, ihr nichts zu geben. Sie verdiente es nicht. Und Nacktfotos von sich hatte sie auch noch machen lassen.
    Ich warf das ganze Zeug in den Karton und stellte ihn wieder an seinen Platz.
    Es mochte drei Uhr nachts sein, ich schwebte mit aufgesetzten Kopfhörern durchs Dunkel und spielte Soul Reaver , als ich das Gefühl hatte, da wäre ein Geräusch im Keller. Ich nahm die Kopfhörer ab und ließ langsam den Blick schweifen.
    Irgendjemand klopfte ans Fenster.
    Ich tat einen Satz nach hinten, und es überlief mich eiskalt, als hätte ich Härchen auf dem Rücken und jemand würde darüberfahren. Ich unterdrückte einen Schrei.
    Wer konnte das sein?
    Wer immer es war, er hörte nicht auf zu klopfen.
    Die Scheiben reflektierten den bläulichen Schimmer des Bildschirms und mich, der wie vom Donner gerührt dastand.
    Ich versuchte zu schlucken, konnte aber nicht. Mir war schwindlig vor Angst. Ich atmete ein und atmete aus. Ich musste ruhig bleiben. Es bestand keine Gefahr. Das Fenster hatte Gitter, da kam niemand durch, falls er nicht weich wie ein Krake war.
    Ich knipste die Taschenlampe an und richtete sie zitternd auf das Fenster.
    Hinter der Scheibe war Olivia, die mir ein Zeichen gab, aufzumachen.
    »Was für ein Nerv!«, seufzte ich. Ich ging zum Fenster und öffnete es. Eiskalte Luft strömte herein. »Und was willst du jetzt?«
    Sie hatte rote Augen und schien sehr müde. »Ich klopfe seit einer halben Stunde, verdammt.«
    »Ich hatte Kopfhörer auf. Was gibt’s?«
    »Ich muss deine Gastfreundschaft in Anspruch nehmen, kleiner Bruder.«
    Ich tat so, als würde ich nicht verstehen. »Wie meinst du das?«
    »Ich meine, dass ich nicht weiß, wo ich schlafen soll.«
    »Und du willst hier schlafen?«
    »Du sagst es.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Keine Chance.«
    »Warum nicht?«
    »Darum nicht. Das ist mein Keller. Ich bin hier drin. Er ist nur für eine Person gedacht.«
    Sie schaute mich schweigend an und schien zu glauben, ich würde Witze machen.
    Ich musste hinzufügen: »Entschuldige, so ist es. Ich kann dich wirklich nicht …«
    Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Es ist tierisch kalt hier draußen. Bestimmt fünf Grad unter null. Ich weiß verdammt noch mal nicht, wohin ich gehen soll. Ich bitte dich um einen Gefallen.«
    »Tut mir leid.«
    »Weißt du was? Du bist der Sohn deines Vaters.«
    »Unseres Vaters«, verbesserte ich sie.
    Sie zog ein Päckchen Marlboro heraus und zündete sich eine an. »Erklär mir doch mal, warum ich heute Nacht nicht hierbleiben kann. Wo liegt das Problem?«
    Was sollte ich ihr sagen? Ich spürte, wie Wut in mir aufstieg, sie drückte mir gegen das Zwerchfell. »Du bringst mir alles durcheinander. Es gibt keinen Platz. Es ist gefährlich. Ich bin inkognito hier. Ich kann nicht aufmachen. Geh woandershin. Besser noch: Ich habe eine Idee, klingel oben. Sie lassen dich bestimmt im Gästezimmer schlafen. Da wirst du dich wohlfühlen …«
    »Bevor ich bei diesen beiden Arschlöchern schlafe, lege ich mich auf eine Bank in der Villa Borghese.«
    Was erlaubte sie sich? Was hatte Papa bloß Schlimmes getan, um so eine Tochter zu verdienen? Ich versetzte der Wand einen Tritt. »Bitte … Ich bitte dich … Hier ist alles in Ordnung, ich habe alles bestens organisiert, perfekt, und jetzt kommst du und bringst alles durcheinander …« Ich merkte, dass ich quengelte, und ich hasste es zu quengeln.
    »Also … Wie heißt du? Lorenzo. Lorenzo, hör mir mal gut zu. Ich bin brav gewesen. Heute Morgen hast du mich gebeten, nichts zu verraten, und ich habe nichts verraten. Ich habe dich nichts gefragt. Ich will nichts wissen. Das ist deine Angelegenheit. Ich bitte dich um einen Gefallen. Wenn du einen Moment den Keller verlässt und mir die Haustür aufmachst, komme ich herein. Niemand wird uns sehen.«
    »Nein. Ich habe geschworen, dass ich nicht rausgehe.«
    Sie sah mich an. »Wem hast du das geschworen?«
    »Mir selbst.«
    Sie zog an der Zigarette. »Weißt du, was ich jetzt tue? Ich hänge mich an die Sprechanlage und sage ihnen, dass du im Keller bist. Was hältst du davon?«
    »Das würdest du nie tun.«
    Sie setzte ein fieses Grinsen auf. »Ach nein? Da kennst du mich aber schlecht …« Sie ging in die Mitte des Gartens und sagte mit ziemlich lauter Stimme: »Achtung,

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