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Du und Ich

Du und Ich

Titel: Du und Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niccolò Ammaniti
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gesehen.«
    Ich machte die Augen wieder auf. Eine dunkle Figur saß auf meinem Bett.
    »Beweg dich.«
    Nein, ich würde mich niemals von hier unten wegbewegen, nicht einmal tot.
    »Bist du taub? Komm da raus.«
    Vielleicht war es besser, wenn ich wusste, wer es war. Ich zog mich hoch, und wie ein Hund, den man mit der Schnauze im Kühlschrank erwischt hat, kroch ich raus.
    Auf dem Bett saß Olivia.
    Sie war sehr abgemagert, und ihre eckigen Backenknochen traten hervor. Ihr Gesicht sah angespannt und müde aus, und die langen blonden Haare hatte sie sich abgeschnitten. Über den Jeans trug sie ein ausgebleichtes T-Shirt mit Camel-Logo und eine blaue Matrosenjacke.
    Sie war nicht mehr schön wie vor zwei Jahren.
    Sie schaute mich verblüfft an. »Was machst du hier?«
    Wenn ich irgendetwas hasste, dann, dass mich jemand in Unterhosen sah, ganz besonders eine Frau. Total verlegen hob ich meine Hosen vom Boden auf und zog sie an.
    »Warum hast du dich hier versteckt?«
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich war so durcheinander, dass ich es gerade mal schaffte, mit den Schultern zu zucken.
    Meine Stiefschwester stand auf und sah sich um. »Vergiss es, interessiert mich nicht. Ich suche einen Karton, den ich meinem … unserem Vater gegeben habe. Der Hausangestellte oben hat mir gesagt, er müsste hier sein. Er konnte nicht mitkommen, weil er bügeln musste. Ist der blöd oder was?«
    Nihal war wirklich ein bisschen blöd zu Leuten, die er nicht gut kannte. Er hatte die schlechte Angewohnheit, alle von oben herab zu behandeln.
    »Es ist ein großer Karton, auf dem Olivia steht. Du kannst mir helfen, ihn zu finden.«
    Ich begann eifrig zu suchen, weil ich froh war, dass meine Stiefschwester sich kein bisschen dafür interessierte, warum ich mich hier aufhielt.
    Doch keine Spur von diesem Karton. Es gab zwar Kisten, aber auf keiner stand Olivia.
    Meine Stiefschwester schüttelte den Kopf. »Siehst du, wie dein Vater auf meine Sachen aufpasst?«
    Ich sagte leise: »Er ist auch dein Vater.«
    »Du hast recht …« Olivia ballte die Faust zum Zeichen des Sieges. Unter einer Konsole, direkt hinter der Kellertür, stand ein mit Klebstreifen umwickelter Karton mit der Aufschrift WOHNUNG OLIVIA ZERBRECHLICH .
    »Da ist er ja. Sieh dir nur an, wo sie ihn abgestellt haben. Hilf mir mal, der ist schwer.«
    Wir schleppten ihn in die Mitte des Kellers.
    Olivia hockte sich im Schneidersitz hin, zog das Klebeband ab und begann Bücher, CDs, Kleider, Schminkzeug hervorzuholen und auf den Boden zu werfen. »Da ist es.«
    Es war ein weißes Buch mit einem abgenutzten Umschlag. Das große Heft. Der Beweis. Die dritte Lüge. Trilogie.
    Sie blätterte es auf der Suche nach irgendetwas durch und sprach mit sich selbst. »Es war hier drin, verdammt. Ich kann es nicht glauben. Antonio muss es gefunden haben, dieser Scheißkerl.« Sie sprang plötzlich auf. Ihre Augen wurden feucht. Sie stemmte die Arme in die Hüften, sah zur Decke und trat wie eine Furie gegen den Karton. »Du Arschloch! Du Arschloch! Ich hasse dich. Das hast du mir auch noch weggenommen. Und was soll ich verdammt noch mal jetzt machen?«
    Ich sah sie eingeschüchtert an, konnte mich aber nicht zurückhalten zu fragen: »Was war denn da drin?«
    Sie setzte sich auf den Boden und hielt sich eine Hand vors Gesicht.
    Ich dachte, sie fängt gleich an zu weinen.
    Sie sah mich an. »Hast du Geld?«
    »Was?«
    »Geld. Ich brauche Geld.«
    »Nein. Tut mir leid.« Tatsächlich hatte ich welches, Papa hatte es mir für die Skiferien gegeben, aber ich wollte es sparen, um mir eine Stereoanlage zu kaufen.
    »Sag mir die Wahrheit.«
    Ich schüttelte den Kopf und breitete die Arme aus. »Ich schwöre. Ich habe kein Geld.«
    Sie musterte mich, als wollte sie herausfinden, ob ich log. »Tu mir einen Gefallen. Pack alles zurück in den Karton und mach ihn wieder zu.« Sie öffnete die Kellertür. »Ciao.«
    Ich sagte: »Hör mal.«
    Sie blieb stehen. »Was gibt’s?«
    »Sag bitte niemandem, dass ich hier bin. Auch Nihal nicht. Wenn du was sagst, bin ich erledigt.«
    Olivia schaute mich an, ohne mich zu sehen, sie dachte an irgendetwas anderes, irgendetwas, das ihr Sorgen machte. Dann flatterte sie mit den Lidern, als wollte sie sich selbst aufwecken. »Ist gut. Ich sage niemandem was.«
    »Danke.«
    »Aber dein Gesicht ist ganz orange. Du hast es übertrieben mit dem Selbstbräuner.« Sie schloss die Tür.
    Bei der Operation Bunker häuften sich die Probleme. Mama wollte mit Alessias

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