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Du und Ich

Du und Ich

Titel: Du und Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niccolò Ammaniti
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kann muffeln, so viel ich will. Und du hast es gerade nötig. Du muffelst doch auch …«
    In diesem Moment klingelte das Handy.
    Es war meine Mutter.
    Ich tat so, als wäre nichts, und hoffte, es würde aufhören, aber es hörte nicht auf.
    Olivia sah mich an: »Was ist, gehst du nicht ran?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Darum nicht.«
    Es hörte nicht auf. Mama musste auf hundertachtzig sein. Ich konnte sie vor mir sehen, wie sie im Schlafzimmer auf dem Bett saß und vor Wut schnaubte. Mit einem Satz sprang ich auf die Möbel und nahm das Handy. Ich meldete mich. »Mama.«
    »Lorenzo. Alles in Ordnung?«
    »Ja.«
    »Ich habe dich hundertmal angerufen.«
    »Hast du meine SMS bekommen?«
    »Findest du, das ist ein Benehmen? Du hättest mich anrufen müssen, bevor ihr zur Hütte aufgebrochen seid.«
    »Ich weiß … Entschuldige, es ist nur so, dass wir ganz spontan los sind. Ich wollte dich gerade anrufen.«
    »Ich habe mir Sorgen gemacht. Wie geht es dir?«
    »Gut. Sehr gut.«
    »Ich muss mit Alessias Mutter sprechen.«
    »Sie kann gerade nicht. Ruf mich später noch mal an.«
    Meine Mutter war einen Augenblick lang still, dann explodierte sie: »Jetzt reicht es, Lorenzo. Du holst mir jetzt Alessias Mutter ans Telefon, oder ich rufe die Eltern der anderen an.« Ihre Stimme klang hart, und sie hielt sich zurück, um nicht zu schreien. »Mir reicht es endgültig. Was verheimlichst du mir?«
    Ihre Geduld war zu Ende. Ich konnte sie nicht länger hinhalten. Ich sah Olivia an. »Da ist sie ja … Warte, ich rufe sie. Ich schaue mal, ob sie kommen kann …« Ich legte das Handy hin und kletterte runter. Ich setzte mich neben Olivia und flüsterte ihr ins Ohr: »Bitte, du musst mir helfen … Ich bitte dich. Du musst so tun, als wärst du die Mutter von Alessia. Mama denkt, ich bin in Cortina bei einer, die Alessia Roncato heißt und mich zum Skilaufen eingeladen hat. Du musst so tun, als wärst du Alessias Mutter. Sag ihr, dass es mir gut geht und dass alles in Ordnung ist. Ah, und ganz wichtig: Du musst ihr sagen, wie nett ich bin.«
    Die Lippen meiner Stiefschwester verzogen sich zu einem gemeinen Grinsen. »Ich glaube wirklich nicht …«
    »Ich bitte dich.«
    »Nur über meine Leiche.«
    Ich packte sie am Handgelenk. »Wenn sie herausfindet, dass ich nicht Skifahren bin, ist es aus. Sie schicken mich zum Psychologen.«
    Sie befreite sich von meinem Griff. »Nie im Leben. Ich ziehe keinen egoistischen kleinen Wichser aus der Scheiße, der mich aus seinem lausigen Keller verjagt.«
    Was für ein Biest, sie hatte mich wieder drangekriegt. »Okay. Wenn du mit ihr redest, kannst du bleiben.«
    Sie hob die Stiefel vom Boden auf. »Wer will denn hierbleiben?«
    »Ich schwöre, ich tu alles, was du willst.«
    »Auf die Knie.« Sie zeigte auf den Boden.
    »Auf die Knie?«
    »Auf die Knie.«
    Ich gehorchte.
    »Wiederhole: Ich schwöre beim Leben meiner Eltern, dass ich der Sklave von Olivia Cuni sein werde …«
    »Echt, sie wartet am Telefon … Komm …«, quengelte ich total nervös.
    Doch sie war die Ruhe selbst. »Wiederhole!«
    Ich dachte, ich sterbe gleich. »Ich schwöre beim Leben meiner Eltern, dass ich der Sklave von Olivia Cuni sein werde …«
    »Für den Rest meines Lebens …«
    »Für den Rest meines Lebens?! Spinnst du?« Ich sah zur Decke und brachte schnaufend heraus: »Für den Rest meines Lebens.«
    »Und ich werde immer freundlich sein und ihr zur Verfügung stehen.«
    »Und ich werde immer freundlich sein und ihr zur Verfügung stehen. Und jetzt mach, ich bitte dich …«
    Sie stand mit schmerzverzerrtem Gesicht auf. »Kennt deine Mutter diese Frau?«
    »Nein.«
    »Wie heißt die Tochter?«
    »Alessia. Alessia Roncato.«
    Sie bewegte sich wie eine alte Gichtkranke und hatte Mühe, zum Fenster hochzuklettern. Es musste ihr ernsthaft schlecht gehen, aber als sie sprach, hatte sie eine klare Stimme. »Hallo, Signora Cuni! Guten Tag. Wie geht es Ihnen?«
    Ich begann mir vor Angst in die Hand zu beißen.
    Sie schien sich wahnsinnig zu freuen, mit meiner Mutter zu sprechen. »Gewiss … Gewiss … Ja natürlich, Lorenzo hat es mir gesagt. Verzeihen Sie, dass nicht ich Sie angerufen habe … doch doch, meine Schuld … aber es war immerzu was los. Sie wissen ja, wie das in den Bergen ist. Aber ich bitte Sie … Ich bitte Sie … Danke, es ist wirklich ein Vergnügen, er ist ein so wohlerzogener Junge … Aber natürlich, wir können uns gern duzen. Auf jeden Fall ist hier alles in Ordnung. Schnee. Ob es

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