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Du und Ich

Du und Ich

Titel: Du und Ich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niccolò Ammaniti
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also? Du verkaufst die Wohnung mit dir darin, und erst wenn du stirbst, gehen die Wohnung und alle Sachen an den, der sie gekauft hat … Hast du verstanden?«
    »Ja.« Ich hatte gar nichts verstanden. »Aber wie lange dauert das?«
    »Hängt davon ab, wann du stirbst. Nach einem Tag oder nach zehn Jahren, je nachdem. Es heißt, nachdem man das Eigentum ohne Nießbrauch verkauft hat, stirbt man nie. Einer, der im Sterben liegt und das bloße Eigentum verkauft, schleppt sich noch zwanzig Jahre hin.«
    »Und wieso?«
    »Weiß ich nicht … Aber ich glaube, wenn die Leute hoffen, dass du stirbst …«
    »Also wenn du die Wohnung gekauft hast, musst du hoffen, dass der, der drin ist, bald stirbt? Das ist schlimm.«
    »Du sagst es. Papa hat also … eure Wohnung gekauft … als die …« Sie hörte auf zu sprechen. Ich wartete, ob sie den Satz zu Ende bringen würde, doch ich merkte, dass ihre Arme herunterhingen, als hätte man ihr in die Brust geschossen. Die Zigarette zwischen ihren Lippen war ausgegangen, die Asche auf dem Hals gelandet.
    Ich näherte mich vorsichtig, schob mein Ohr an ihr Gesicht. Sie atmete.
    Ich zog den Zigarettenstummel aus ihrem Mund, holte eine Decke und legte sie über sie.
    Als ich wach wurde, stand die Sonne schon hoch an einem blauen, wolkenlosen Himmel. Die Palme schwankte im Wind. In Cortina war ein perfekter Tag zum Skifahren.
    Olivia hatte sich aufs Sofa gekuschelt und schlief, das Gesicht auf ein schmutziges Kissen gepresst. Sie musste wirklich müde sein.
    »Dann soll sie halt noch eine Weile bleiben«, sagte ich zu mir selbst und erinnerte mich an das ausgeschaltete Handy. Ich machte es an, und schon erschienen drei SMS. Zwei von meiner Mutter. Sie war besorgt und wollte, dass ich sie anrief, sobald das Handy ein Netz hatte. Eine von meinem Vater mit dem Inhalt, dass Mama besorgt sei und ich sie anrufen solle, sobald das Handy ein Netz hatte.
    Ich frühstückte und begann Soul Reaver zu spielen.
    Olivia wurde eine Stunde später wach.
    Ich spielte weiter, warf ihr aber hin und wieder einen heimlichen Blick zu. Ich wollte ihr zu verstehen geben, dass ich ein harter Bursche war, mit dem man sich besser nicht anlegte.
    Sie sah aus, als wäre sie von einem Monster zerkaut, für zu bitter befunden und wieder ausgespuckt worden. Sie brauchte eine halbe Stunde, um hochzukommen. Auf ihrer Stirn und ihrer Wange war ein Abdruck vom Muster des Kissens. Sie hörte nicht auf, sich die Augen zu reiben und die Zunge im Mund zu bewegen. Schließlich stieß sie ein heiseres Wort aus. »Wasser.«
    Ich brachte es ihr. Sie hängte sich an die Flasche. Dann begann sie, ihre Arme und Beine abzutasten, und verzog dabei das Gesicht vor Schmerz. »Mir tut alles weh. Als hätte ich Stacheldraht in den Muskeln.«
    Ich hob die Hände hoch. »Du hast dir bestimmt die Grippe geholt. Ich habe hier keine Medizin. Du solltest in die Apotheke gehen. Wenn du auf die Piazza …«
    »Das schaffe ich nicht.«
    »Was? Du hast mir versprochen, dass du heute Morgen verschwindest.«
    Olivia strich sich mit einer Hand über die Stirn. »Haben sie dich so erzogen? Sie haben dir beigebracht, ein Arschloch zu sein. Das kann nicht nur Erziehung sein, du musst irgendwas Falsches und Verdrehtes in dir drin haben.«
    Ich schwieg, ließ den Kopf hängen, war unfähig zu antworten. Was zum Teufel wollte die von mir? Sie war nicht mal richtig meine Schwester. Ich kannte sie nicht. Ich ließ alle in Ruhe, warum ließ sie mich nicht in Ruhe? Sie war mit einem falschen Versprechen in mein Versteck gekommen, und jetzt wollte sie nicht wieder abhauen.
    Sie stand mit Mühe auf, ging mit einem vor Schmerz verzerrten Gesicht in die Knie und sah mich an. Ihre Pupillen waren so groß und schwarz, dass man das Blau der Iris fast nicht mehr erkennen konnte. »Sieh mal, dass du dich hier versteckst und dein eigenes Ding machst, heißt nicht, dass du ein anständiger Mensch bist. Das ist zu einfach gedacht.«
    Es war, als hätte sie in meinen Gedanken gelesen.
    »Tut mir leid … Die Lebensmittel reichen nicht für zwei. Es ist nur deshalb. Und außerdem muss man hier ruhig sein. Und dann … Nein. Das läuft nicht. Ich muss allein bleiben«, stammelte ich und ballte die Fäuste.
    Sie hob die Hände, als würde sie aufgeben. »Okay. Ich gehe. Du bist ein richtiger Scheißkerl.«
    »Stimmt.«
    »Und voll daneben.«
    »Genau.«
    »Und muffeln tust du auch noch.«
    Ich schnüffelte unter einer Achsel. »Na und? Hier muss außer mir ja keiner sein. Ich

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