Du weckst mein Verlangen
gehst, Emma, sehen wir uns nie wieder. Ich werde dir keine zweite Chance geben.“
Endlich war auch in Northumbria der Frühling eingekehrt, und im Garten von Primrose Cottage blühten die Osterglocken.
Das Haus war doch noch nicht verkauft worden. Der Besitzer teilte Emma mit, sie könne bleiben, bis es neue Kaufinteressenten gäbe. Da dies noch Monate dauern konnte, beschloss Emma, erst einmal Unkraut zu jäten. Nächste Woche würde sie wieder anfangen zu arbeiten, aber jetzt musste sie sich beschäftigen, um keine Zeit zum Nachdenken zu haben.
Noch immer sah sie Roccos Gesicht vor sich, und in ihrem Ohr klangen seine letzten Worte nach: Ich werde dir keine zweite Chance geben .
Warum sollte ich die wollen? fragte sie sich trotzig. Unablässig redete sie sich ein, dass sie richtig gehandelt hatte. Jetzt galt es, sich wieder daheim einzurichten und sich um Holly zu kümmern. Das half, die Gedanken an Rocco zu unterdrücken – zumindest tagsüber.
Die langen dunklen Nächte sind jedoch kaum auszuhalten, gestand sie sich ein, während sie auf der Erde kniete und wütend das Unkraut ausriss. Sie vermisste Rocco so sehr, dass es körperlich wehtat. Außerdem plagten sie zunehmend die Zweifel. Vielleicht gibt es ja wirklich eine andere Erklärung für die Situation? überlegte sie. Aber die Ähnlichkeit des Jungen mit Rocco war frappierend. Trotzdem, nachträglich erinnerte sie der Junge an jemanden anderen. Nachdem sie sich tagelang den Kopf zerbrochen hatte, fiel es ihr auch ein: Er sah Giovanni ähnlich.
Aber was sollte ihr das sagen? Natürlich gab es da eine Familienähnlichkeit! Das änderte nichts an der Tatsache, dass Rocco sie belogen hatte. Plötzlich liefen ihr die Tränen über die Wangen. Der Schmerz in ihrem Herzen war unerträglich, nicht einmal nach Jacks Tod hatte sie derart gelitten.
Sie hörte hinter sich das Gartentor quietschen und wischte sich schnell mit dem Ärmel über das Gesicht. Hier im Dorf verbreiteten sich Gerüchte mit Lichtgeschwindigkeit. Wenn der Postbote sie tränenüberströmt im Garten vorfände …
Aber statt eines fröhlichen Guten Morgens – folgte Stille. Selbst die Vögel hörten auf zu singen. Die feinen Härchen in Emmas Nacken stellten sich plötzlich auf. Im Zeitlupentempo stand sie auf und drehte sich um. Plötzlich schien der Boden unter ihr zu schwanken.
„Warum …“ Sie räusperte sich. „Was willst du hier?“
Der Mann, dem ihr Herz gehörte, verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. Rocco hatte eine Rede vorbereitet, aber als er die Tränenspuren auf ihrem Gesicht sah, wollten ihm seine wohlüberlegten Worte nicht mehr einfallen. Es blieb ihm nur eins zu sagen: „Weil ich ohne dich nicht leben kann, cara .“
Emma schloss die Augen und hoffte, der Spuk – denn darum musste es sich handeln – würde verschwinden. Aber Rocco dachte nicht daran zu gehen. Fünf Tage hatte er gebraucht, um seinen Stolz zu überwinden. Aber diese fünf Tage waren die Hölle gewesen.
„Marco ist mein Halbbruder – der nicht eheliche Sohn von Enrico. Und alle drei Söhne haben seine ungewöhnliche Augenfarbe geerbt.“
Der Schock traf Emma bis ins Mark. Sein Halbbruder! Deshalb die Ähnlichkeit! Schon wieder habe ich ihm unrecht getan, dachte sie entsetzt. Das wird er mir nie verzeihen können.
„Mein Vater verließ seine schwedische Geliebte, als sie schwanger wurde. Er brach den Kontakt völlig ab, und erst auf dem Sterbebett bat er mich, Marco zu finden. Meinem Großvater konnte ich auch nichts sagen, solange er sich von seiner Herzoperation noch nicht erholt hatte. Ich habe die letzten Monate versucht, eine Beziehung zu Marco aufzubauen. Ich wollte dir so gerne von ihm erzählen, aber ich musste ihm versprechen, vorerst niemandem etwas zu sagen. Er wollte selbst den Zeitpunkt bestimmen – wenn er so weit war.“
Forschend betrachtete Emma sein Gesicht. Wie schmal und abgespannt er aussieht, dachte sie. Rocco schien nicht besser geschlafen zu haben als sie selbst in der letzten Woche.
Sie biss sich auf die Lippe. „Damals auf der Party deines Großvaters wollte ich Shayna nicht glauben. Ich antwortete ihr, dass ich dich für einen ehrenhaften Mann hielte – und meinte es auch so. Doch, wirklich!“, protestierte sie, als er ihr einen schiefen Seitenblick zuwarf. „Ich habe dir vertraut. Und glaub mir … das war ein schwieriger Schritt für mich. Aber als ich dich in Genua sah mit dieser wunderschönen Frau und dem Jungen, da war ich einfach
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