Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Du wirst noch an mich denken

Du wirst noch an mich denken

Titel: Du wirst noch an mich denken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Andersen
Vom Netzwerk:
Wochen über den Weg gelaufen war, hatte es ihn von neuem überrascht. Wer hätte gedacht, dass sich unter all den blauen Flecken und Schwellungen, mit denen sie am ersten Tag hier aufgekreuzt war, eine solch verführerisch zarte Haut verbarg. Genauso verblüffend fand er es, wie hell ihr Teint war, er bildete einen auffälligen Kontrast zu ihren glänzenden dunkelbraunen Haaren und Augenbrauen und den seidigen langen Wimpern. Ihre großen Augen waren ebenfalls dunkelbraun und standen leicht schräg, was ihrem Gesicht etwas Exotisches verlieh, und ihre Zähne blitzen so makellos weiß wie die eines Kindes. Ihr Mund hatte allerdings ganz und gar nichts Kindliches an sich. Die Oberlippe war schmal und sanft geschwungen, während die Unterlippe etwas lasziv Üppiges hatte. Und als ob das alles noch nicht gereicht hätte, zeigten sich nicht nur jedes Mal, wenn sie lächelte, auf ihren Wangen zwei reizende Grübchen, direkt über ihrer Oberlippe saß auch noch ein winziger Leberfleck. Das war nun wirklich zu viel des Guten, dachte er säuerlich.
    Zugegeben, vielleicht kam er sich ein bisschen blöd vor wegen seiner übertriebenen Reaktion an dem Tag, als sie die Wohnung gemietet hatte, und vielleicht betrachtete er sie deswegen nicht eben wohlgefällig. Aber das war ja wohl nicht allein seine Schuld gewesen, verdammt noch mal. Ihr Verhalten hatte die ganze Sache bestimmt nicht besser gemacht. Statt großzügig über das Vorkommnis hinwegzugehen - wie er es getan hätte schien sie es darauf angelegt zu haben, es ihm immer wieder auf subtile Weise unter die Nase zu reiben, wenn sie sich über den Weg liefen. Statt also die Vergangenheit zu begraben, begrüßte sie Otis und Lola stets mit einem strahlenden Lächeln und duzte sich inzwischen sogar mit ihnen, während sie ihn beharrlich mit Mister Ryder ansprach, noch dazu in diesem höflichen, kühlen Ton, bei dem sich ihm unweigerlich die Nackenhaare sträubten. Ihre abweisende Miene und diese bescheuerte Anrede mit Mister vermittelten ihm das Gefühl, ein ungehobelter Klotz zu sein. Was er manchmal vermutlich auch war.
    Aber wenn sie so verflucht großen Wert auf gute Manieren legte, dann hätte sie ihn auch nicht so behandeln dürfen.
    Ich kann mich allerdings nicht daran erinnern, dass Superman sich einer solchen Ausdrucksweise bedient hat.
    James ließ unbehaglich seine Schultern kreisen. Im Geiste hatte er diese Bemerkung in den vergangen Wochen immer wieder gehört, und während er jetzt leise vor sich hin fluchte, hörte er sie erneut. Zuerst hatte sie lediglich Abwehr in ihm hervorgerufen. Nicht jeder hatte das Glück und wurde mit einem silbernen Löffel im Mund geboren. Es gab auch Leute, die sich damit abfinden mussten, Tag für Tag unter dem unbarmherzigen Auge des Sozialamts ums Überleben zu kämpfen.
    In Terrace, der Sozialwohnungssiedlung, in der James aufgewachsen war, hatten Flüche und Beschimpfungen zum guten Ton gehört. Er hatte sich nie groß Gedanken darüber gemacht, bevor ihn Aunie dazu gebracht hatte, sich wegen solcher Unmutsbekundungen wie der letzte Prolo vorzukommen.
    In seiner Jugend hatte es ihm mehr als einmal die Haut gerettet, dass er sich so anhörte, als sei er der mieseste Kerl in der ganzen Stadt. Anders als seine Brüder war er nicht von einer Katastrophe in die nächste gestolpert. Statt sich mit anderen zu prügeln, hatte er lieber etwas gebastelt oder seine Comics gezeichnet. Natürlich hatte er trotzdem noch oft genug die Fäuste einsetzen müssen, um sich aus einer heiklen Situation zu befreien, aber im Großen und Ganzen hatte er sich lieber auf sein Mundwerk und seinen schwarzen Humor verlassen, wenn er in der Klemme steckte. Dass er so klang, als hätte er darüber hinaus aber auch keine Hemmungen, jedem, der ihm dumm kam, die Nase einzuschlagen, hatte jedoch nicht geschadet. Genauso wenig wie seine Freundschaft mit Otis.
    Sie waren beide so um die dreizehn gewesen, als Otis in die Wohnung über den Ryders gezogen war. Otis hatte schon damals so ausgesehen wie der Alptraum eines jeden Spießers: größer als eins achtzig, von einer Statur, die seine zukünftigen Muskelpakete erahnen ließ, und infolge einer seltenen Hautkrankheit darüber hinaus bereits kahl werdend. Am Tag seines Einzugs lungerte James im Treppenhaus herum und machte rasch ein paar Zeichnungen von Otis' Familie, während er zusah, wie sie ihre wenigen Habseligkeiten in die neue Wohnung schafften. Alle folgten ohne Widerrede den knappen Anweisungen der großen

Weitere Kostenlose Bücher