Du wirst noch an mich denken
ich nicht anders.«
»Liebesgeflüster.« Mary zuckte mit den Schultern. »Das nimmt er sicher nicht ernst. Das macht doch jeder.«
»Er nicht.«
»Das heißt, dass er zu den Männern gehört, die es wirklich ernst meinen, wenn sie sich irgendwann dann doch mal zu einem Liebesgeständnis durchringen. Vertrau auf dein Gefühl, das dir sagt, dass er dich wirklich liebt. Oder ich habe eine noch bessere Idee, warum probierst du es nicht einmal mit einem kleinen Gespräch? Ich garantiere dir, dass es euch beiden nicht schadet, wenn ihr mal lange genug aus dem Bett klettert, um miteinander zu reden.«
»Ich weiß, ich weiß. Die ganze Zeit rede ich davon, dass ich erwachsen sein will, und dann jammere ich herum wie eine Vierzehnjährige, die sich zum ersten Mal verliebt hat. Aber ich bin eben ein Spätzünder. So was wie jetzt habe ich bisher nicht einmal annähernd erlebt, und ich habe Angst, es wieder zu verlieren. Jedes Mal, wenn ich den Mund aufmache, um das Thema anzusprechen, kneife ich doch wieder. Was ist, wenn er sagt: ›Nein, ich liebe dich nicht, und ich will auch deine Liebe nicht - ich will nichts weiter als vögeln‹? Ich weiß nicht, was ich dann tun würde.« Sie versuchte, die Niedergeschlagenheit abzuschütteln, die sie im Lauf dieses Gespräch überkommen hatte. »Lass uns das Thema wechseln. Heute ist ein zu schöner Tag, um sich den Kopf über Dinge zu zerbrechen, an denen man sowieso nichts ändern kann.«
»In Ordnung«, stimmte Mary bereitwillig zu. Sie stützte das Kinn in die Hand und lächelte. »Also erzähl mal. Abgesehen von dem, was auf der Hand liegt, Miss Franklin, welches sind denn die empfindlichsten Stellen am Körper eines Mannes?«
Aunie lachte und zählte sie an den Fingern ab: »Das, was auf der Hand liegt, natürlich: Hoden. Dahn Kehlkopf, Augen, Nase und Kniescheiben.«
Zu Aunies Überraschung wartete sowohl Paul als auch James auf sie, als sie nach Unterrichtsende auf den Gang trat. Sie winkte Mary zu, die sich durch die Massen von Studenten zu ihnen durchkämpfte, und dann wandte sie sich zu James' Bruder zu. »Hallo Paul, schön, Sie zu sehen.«
Paul schenkte ihr ein schüchternes Lächeln. »Hi. Ich hoffe, es stört Sie nicht, dass ich mit Jimmy mitgekommen bin.«
»Natürlich nicht. Wart ihr heute Nachmittag zusammen unterwegs?«
»Ja. Ich habe eine neue Wohnung in Queen Anne gefunden, und Jimmy hat mir dabei geholfen, eine Couch auszusuchen.« Er grinste verlegen. »Ich traue meinem Geschmack nicht ganz, die anderen behaupten immer, mir fehle der Sinn für so was.«
»Ist ja auch wahr«, warf James ein. »Du hättest mal das karierte Monstrum im Landhausstil sehen sollen, mit dem er geliebäugelt hat.«
»Ich vermute, du hast ihn stattdessen zu den schwarzen Ledersofas geschleift?«
»Nein«, sagte Paul. »Aber wir haben schließlich was sehr Hübsches gefunden.« Er setzte zu einer ausführlichen Beschreibung seiner Neuerwerbung an.
Mary, die einen Augenblick vorher bei den dreien angekommen war, nutzte den Umstand, dass Aunies ganze Aufmerksamkeit von Paul in Beschlag genommen wurde, und beugte sich zu James. »Ich will mich ja nicht einmischen«, murmelte sie. »Aber Aunie möchte gern mal ausgehen.«
James' gute Laune war mit einem Schlag verflogen, und ein grimmiger Ausdruck trat in seine Augen. Seine Hand schoss vor und packte Marys Handgelenk. »Mit wem?«, fragte er.
Mary starrte ihn verblüfft an. »Mit Ihnen, mit wem denn sonst?«, sagte sie schließlich unfreundlich und befreite ihre Hand aus seinem Griff. »Sie hat mir erzählt, dass Sie nie mit ihr ausgehen«, setzte sie hinzu, während sie sich die schmerzende Stelle rieb.
Auf James' kantigen Wangen zeigte sich ein Anflug von Röte. Mary rieb sich immer noch das Handgelenk, und er warf einen kurzen Blick zu Aunie. Gott sei Dank hatte sie nicht mitbekommen, wie grob er sich ihrer Freundin gegenüber benommen hatte. »Tut mir Leid«, sagte er leise. »Alles in Ordnung?«
»Ja, bestens.« Mary sah ihn ein paar Sekunden lang nachdenklich an. »Sie mögen mich nicht besonders, oder?«
»Sie sind schon in Ordnung.« Mary zog eine Augenbraue in die Höhe, und er fuhr fort: »Na gut, vielleicht bin ich noch ein bisschen sauer, weil Sie mit Aunie ausgegangen sind, um Männer aufzureißen.«
Mary blieb vor Erstaunen der Mund offen stehen. »Mein Gott«, sagte sie fassungslos, »das ist fünf Monate her! Dafür, dass Sie zu dem Zeitpunkt noch gar nicht mit ihr zusammen waren, sind Sie ganz schön
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