Du wirst noch an mich denken
hatte es einfach vergessen. Sie hatte sich zur Ruhe gezwungen, einige Schritte unternommen, um Möglichkeiten aufzudecken oder auszuschließen, und danach hatte sie das Problem für eine Weile zurückgestellt, um sich später wieder damit zu befassen. Sie hatte vorgehabt, es ihm zu erzählen, aber als sie nach Hause gekommen war, hatte es andere Dinge gegeben, die sie in Anspruch nahmen.
Als sie sich schließlich wieder daran erinnerte und es ihm erzählte, führte er sich auf, als wäre sie ein weiblicher Einzelspähtrupp und im Begriff, blindlings auf vermintes feindliches Gebiet zu tappen. Und das war, noch bevor er ihr vorgeworfen hatte, völlig blind zu sein. Für Gefahr. Für die Realität. Für jede Form von vernünftiger Reaktion, wie er es nannte.
Aber all das war geradezu harmlos im Vergleich zu seiner Reaktion, als er erfuhr, dass sie nicht nur diese Information zwei Tage für sich behalten hatte, sondern außerdem auch noch Wesley angerufen hatte, um herauszufinden, wo er sich gerade aufhielt.
An diesem Punkt strich sie die Segel. Vielleicht hätte sie versuchen sollen, es zu erklären, und sei es auch nur, damit James sich wieder ein bisschen abkühlte, aber sie hatte es nicht getan. Offen gestanden war sie zu beschäftigt damit gewesen, sich über seinen Ton, seine Worte, sein Verhalten zu ärgern. Wie konnte er es wagen, sie anzuschreien, sie zu beschimpfen, mit ihr zu reden, als wäre sie ein geistig zurückgebliebenes Kind, das man auch nicht eine Sekunde aus den Augen lassen durfte? Eine solche Behandlung brauchte sie sich nicht gefallen zu lassen. Von niemandem.
Sie hätte hinterher nicht mehr sagen können, was genau der Auslöser gewesen war, aber irgendwie war ihrem heftigen Streit nicht weniger heftiger Sex an der Kühlschranktür gefolgt. Gott, was für ein Durcheinander! Sie wusste ja nicht, wie es James ging, aber als ihre Beine kraftlos an ihm herabgeglitten waren und er sie wieder auf den Boden gestellt hatte, als er einen Schritt zurückgetreten war, seine Kleidung gerichtet hatte und anschließend aus ihrer Wohnung gestürmt war, hatte sie sich kein bisschen besser gefühlt. Körperlich befriedigt, das ja, aber in emotionaler Hinsicht zerstört.
Der Knall, mit dem James bei seinem wütenden Abgang die Tür ins Schloss geschmettert hatte, klang Aunie noch in den Ohren. Sie glitt an der Kühlschranktür entlang, bis sie auf dem Boden kauerte, ein Häufchen Elend mit hängendem Kopf, den kurzen Rock bis zur Taille hochgeschoben, den Slip um einen Knöchel baumelnd. Was hatte sie gesagt? Was in aller Welt hatte sie zu ihm gesagt, dass er so ausgerastet war? Das eben hatte nichts mehr mit Liebe zu tun gehabt, das war ... Es war ... Sie wusste nicht, was es war, aber es war keine Liebe. Sie heulte sich die Augen aus dem Kopf.
Als Lola kurze Zeit später anrief und sie einlud, nach unten zu kommen, um das jüngste Mitglied des Jackson-Haushalts kennen zu lernen, legte sie sich kurz einen Eisbeutel über die vom Weinen verschwollenen Augen, bevor sie ihre Wohnung verließ. Offenbar ohne großen Erfolg. Lola sah sie nur kurz an und drückte ihr dann wortlos das Baby in den Arm.
»O mein Gott«, sagte Aunie leise und hob den Säugling an ihre Brust. Seine Wärme und sein Geruch hatten etwas Tröstliches. Sie ließ sich auf dem Sofa nieder und betrachtete das Kind in ihren Armen. »Sie ist wunderschön. Einfach wunderschön.«
Greta-Leighs Hautfarbe lag irgendwo zwischen dem hellen Milchkaffeeton von Lola und dem tiefen Ebenholzschwarz von Otis. Sie hatte jetzt schon dichte, gut zwei Zentimeter lange Haare, die ihr winziges Köpfchen aussehen ließen wie eine dunkle Pusteblume. »Schaut nur, die kleinen Lippen, wie niedlich.« Greta-Leigh hatte eine Schnute gezogen, und ihre Oberlippe stand ein wenig hervor wie der Schnabel eines Vögelchens.
Aunie strich mit dem Finger über ihre samtweiche Wange und sah Otis und Lola an. »Ihr müsst furchtbar stolz sein.« Zu ihrer Bestürzung versagte ihr beim letzten Wort die Stimme, und Tränen liefen ihr übers Gesicht.
Otis und Lola sahen sie besorgt an, und sie kam sich wie eine komplette Närrin vor. »Tut mir Leid«, flüsterte sie und wischte sich mit der freien Hand die Tränen von den Wangen. Sie lächelte die beiden kläglich an. »Bitte, achtet gar nicht darauf. Muss ein Anfall von PMS sein oder so was.«
Aber das war es nicht. Ihr war nur gerade eingefallen, dass James heute Nachmittag zum ersten Mal keins seiner stets griffbereiten
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