Du wirst noch an mich denken
Fakten?«, sagte James unfreundlich.
Sie fuhr zu ihm herum. »Was?«
»Sie scheinen erbärmlich zu frieren, aber diese bescheuerte Decke rutscht immer wieder runter, also gehen Sie und ziehen Sie sich was Warmes an, und dann setzen Sie sich zu uns und erklären uns alles. Lola schenkt Ihnen inzwischen noch eine Tasse Tee ein.«
Aunie hätte ihm am liebsten erklärt, dass er mit seinem autoritären Gehabe und seinem Tee bleiben konnte, wo der Pfeffer wächst. Aber sie musste unbedingt mit jemandem reden, und der Gerechtigkeit halber musste sie einräumen, dass sie auf die beiden wahrscheinlich reichlich verrückt wirkte. Wie konnte sie von ihnen erwarten, dass sie sofort verstanden, was sie selbst nicht verstand, obwohl sie lange Zeit mit dieser Situation leben musste? Lola war die einzige Freundin, die sie in Seattle hatte. James war genau genommen kein Freund, dennoch war er jetzt hier und hörte sich ihre Probleme an, obwohl er ausdrücklich erklärte hatte, dass er damit nichts zu tun haben wollte. In Wirklichkeit wusste sie nicht, was sie tun sollte, wenn sie die beiden vergraulte.
Ohne ein weiteres Wort verließ sie das Zimmer.
Sobald sie außer Hörweite war, drehte sich Lola zu James um. »Findest du nicht, dass du ein bisschen übertreibst?«, fragte sie. »Sie ist mit den Nerven am Ende.«
Um James' Nerven war es auch nicht gerade zum Besten bestellt, und er nutzte die Gelegenheit, etwas Dampf an Lola abzulassen. »Wenn man Mitleid zeigt, fängt sie nur wieder an zu heulen«, blaffte er sie an, »aber wenn du meinst, dass du es besser kannst, brauchst du es bloß zu sagen. Ich verschwinde nur allzu gern von hier.«
»Dann geh doch.«
Damit hatte er nicht gerechnet. »Was?«
»Du hast mich schon verstanden.« Sie sah ihn mit in die Hüften gestemmten Händen an. »Aus deinem Mund kommt doch nur Unsinn, Mann. Man bräuchte mindestens eine Stange Dynamit, um dich von hier zu vertreiben, also spar dir deine Drohungen! Und sei gefälligst ein bisschen freundlicher zu ihr, James. Wenn du nicht damit klarkommst, dass du dich entgegen deiner Verlautbarungen in ihre Angelegenheiten mit hineinziehen lässt, dann solltest du vielleicht wirklich von hier verschwinden. Das hat dem Mädchen gerade noch gefehlt, dass du sie anraunzt.«
»Ach ja, und jetzt wirst du mir wahrscheinlich gleich erzählen, dass die sanfte Tour Wunder wirkt, oder wie? Ich habe es doch gerade selbst miterlebt, wie weit dich deine wohlmeinende Küchenpsychologie gebracht hat: Um ein Haar hätte sie uns beide vor die Tür gesetzt. Mag sein, dass ich sie ein bisschen unsanft anfasse, aber wie du vielleicht auch festgestellt hast, reagiert sie darauf wenigstens kämpferisch, statt in Tränen auszubrechen.«
Aunie kam in einen dicken warmen Pullover gehüllt zurück, und das gerade noch rechtzeitig, dachte Lola.
Zwei Sekunden später, und sie hätte zum K.-o.-Schlag ausgeholt. Sie hätte James darauf hingewiesen, dass er sich nicht nur deshalb so gereizt und unruhig wie ein Tiger im Käfig gebärdete, weil er sich wider besseres Wissen auf Aunies Probleme einließ. Sein größtes Problem bestand darin, dass er mit dem Anblick von ein bisschen Haut nicht zurechtkam. Diese Bemerkung hätte gereicht, um ihn hochgehen zu lassen wie eine Rakete. Er war so ungeheuer beschäftigt damit, vor sich selbst zu leugnen, dass er sich von Aunie angezogen fühlte, weil auf den Schultern von James Ryder schon viel zu viel Verantwortung lastete und weil James Ryder weder die Zeit noch die Geduld hatte, sich auf mehr als irgendwelche oberflächlichen, unverbindlichen Bettgeschichten einzulassen.
»Setzen wir uns an den Esstisch«, schlug Aunie leise vor. Sie hatte die Zeit in ihrem Schlafzimmer genutzt, um sich innerlich wie äußerlich wieder zu fassen. Allerdings musste sie zugeben, dass die Fassade hauchdünn war, wenn sie sich auch im Augenblick einigermaßen im Griff hatte. »James, wollen Sie ein Bier? Ich habe im Kühlschrank noch ein paar Flaschen Dos Equis, die ich für Otis gekauft habe, und er hat mal erwähnt, dass Sie das auch am liebsten trinken.« Was für eine perfekte kleine Gastgeberin du doch bist, flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf spöttisch.
»Klingt gut«, sagte er und deutete mit der Hand auf einen Stuhl. »Setzen Sie sich. Ich hole es mir selbst.«
Aunie wartete, bis er wieder da war und sich rittlings auf einem Stuhl niedergelassen hatte, bevor sie sagte: »Wesley hat mich kein einziges Mal geschlagen, als wir noch verheiratet
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