Du wirst noch an mich denken
gemeinsam besuchten, war sie immer gut vorbereitet, und es war für jeden ersichtlich, dass sie intelligent war. Deshalb hatte Mary sich an Aunie gewandt und sie um Hilfe gebeten, als sie Schwierigkeiten mit einer bestimmten Aufgabe hatte. Zu ihrer Überraschung hatte sie sehr freundlich und kein bisschen überheblich darauf reagiert.
Mary hatte eigentlich mit einer höflichen Abfuhr gerechnet, stattdessen hatte sich Aunie jedoch sofort mit ihr hingesetzt und ihr den Rechenweg zur Lösung des mathematischen Problems erklärt. Als Mary es dann immer noch nicht richtig begriffen hatte, hatte ihr Aunie den Ansatz anhand von verschiedenen Beispielen demonstriert, bis sie schließlich eines gefunden hatte, das Mary verstand. Sie war von unglaublicher Geduld gewesen. Sie hatte nichts von sich erzählt, und beim Mittagessen saß sie nach wie vor allein, aber seither lächelte sie Mary zu, wenn sich ihre Blicke trafen, und sie blieb stehen, um sich mit ihr zu unterhalten, wenn sie zuerst angesprochen wurde. Die Vorstellung kam Mary zwar merkwürdig vor, aber allmählich fragte sie sich, ob Aunies Unnahbarkeit in Wirklichkeit Schüchternheit war.
Dann war Aunie am Montag nach Thanksgiving auf sie zugekommen und hatte sie gefragt, ob sie Lust hätte, gemeinsam mit ihr zu lernen. Mary hatte begeistert ja gesagt und ihr angeboten, sie mit den anderen bekannt zu machen, mit denen sie mittags immer in die Cafeteria ging. Sie hatte damit gerechnet, dass Aunie ablehnen würde, aber zu ihrer Überraschung hatte sie das Angebot freudig angenommen.
In Anbetracht dessen, was sie hinter ihrem Rücken alles über Aunie geredet hatten, waren die anderen zunächst etwas reserviert gewesen. Zu guter Letzt hatte Aunies stille, liebenswürdige Art auf sie jedoch die gleiche Wirkung gehabt wie auf Mary, und sie wurden im Umgang mit ihr lockerer. Es gab immer noch vieles, was Mary von Aunie nicht wusste, aber sie hatte das Gefühl, dass sie trotzdem langsam Freundinnen wurden.
»Also, wo war ich stehen geblieben?«, fragte sie.
»Dabei, Kartoffeln zwischen deinen Zähnen zu zerquetschen«, sagte Joe und reichte ihr das Ketchup.
»Das war aber nicht sehr charmant«, tadelte Aunie sanft, lächelte ihn dabei jedoch an, um ihren Worten die Spitze zu nehmen. »Ich habe dich gefragt, ob es sich um obszöne Anrufe handelt, und du hast gesagt, nicht direkt«, half sie Mary auf die Sprünge.
»Ach ja.« Mary schnitt Joe, der knallrot geworden war, eine Grimasse, bevor sie ihre Aufmerksamkeit wieder Aunie zuwandte. »Der Anrufer macht keine sexuellen Anspielungen oder schmutzige Bemerkungen, so viel ich weiß, aber dafür ist das, was er tut, fast noch schlimmer. Es sieht so aus, als wüsste er alle möglichen persönlichen Dinge über die Frauen, die er anruft.« Sie schüttelte sich. »Kannst du dir was Grusligeres vorstellen, als dass ein wildfremder Kerl alles über dich weiß? Nimm Alice Zablinski, zum Beispiel. Sie hat sich vor kurzem verlobt, und ihr Freund hatte ihr praktisch noch nicht den Ring über den Finger gestreift, als dieser Kerl auch schon anrief und ihr Größe und Schliff des Steins beschrieb.«
»Er hat erst am nächsten Tag angerufen«, widersprach ihr eine der jungen Frauen weiter unten am Tisch.
»Immer noch schnell genug.« Mary zuckte mit den Schultern. »Aunie weiß schon, was ich meine.« Sie beugte sich etwas näher zu ihr und flüsterte: »Mein Gott, wie kann man bloß so pingelig sein. Meine Version hat viel mehr Biss, findest du nicht?«
Auf Aunies Wangen erschienen zwei Grübchen. »Viel«, pflichtete sie Mary bei.
Die anderen Studenten am Tisch fingen jetzt an, die verschiedenen auf dem Campus kursierenden Gerüchte über den Mann beizusteuern, dem man mittlerweile den Spitznamen Telefonterrorist verpasst hatte. Die ganze Sache klang zwar seltsam und beunruhigend, aber insgesamt hatte sie auf Aunie die gleiche Wirkung, wie sie vermutlich einer dieser blutrünstigen Horrorfilme gehabt hätte die sich bei Jugendlichen so großer Beliebtheit erfreuten. Sie fand das, was dieser anonyme Anrufer tat, abstoßend, aber im Grunde genommen berührte es sie nicht weiter. Das mochte daran liegen, dass sie keine der betroffenen Frauen kannte, vielleicht lag es aber auch einfach nur daran, dass sie selbst Probleme hatte, die ihr dringlicher erschienen.
Wie auch immer, sie hatte jedenfalls nicht das Gefühl, dass das alles sehr viel mit ihr zu tun hatte.
In den folgenden Wochen ging es Aunie zunehmend besser. Fest
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