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Du wirst noch an mich denken

Du wirst noch an mich denken

Titel: Du wirst noch an mich denken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Andersen
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entschlossen, sich vorwärts zu bewegen, statt angsterfüllt auf der Stelle zu verharren, verdrängte sie Wesley und die Ungerechtigkeiten des Justizsystems aus ihren Gedanken und konzentrierte sich auf die Gegenwart. Die Freundschaft mit Lola und mit Mary wurde immer enger, und sie wurde von Tag zu Tag selbstsicherer.
    Früher hatte sie sich jedes Mal innerlich gekrümmt, wenn jemand eine Bemerkung über ihr Aussehen gemacht hatte. Sie hatte immer befürchtet, es könnte sich herausstellen, dass sie darüber hinaus nichts vorzuweisen hatte, wenn sie es plötzlich verlieren sollte, und sie würde als Betrügerin dastehen. Hübsche Verpackung, hatte sie die Leute sagen hören, aber nichts dahinter. Man musste auch nicht mit besonderen Geistesgaben gesegnet sein, um zu wissen, dass das glückliche Zusammenspiel von Genen keine persönliche Leistung war.
    In der letzten Zeit hatte sie jedoch festgestellt, dass sie etwas besaß, das mehr zählte: Sie hatte Köpfchen. Dadurch hatte sie vielleicht das erste Mal in ihrem Leben das Gefühl, etwas wert zu sein.
    Es erstaunte sie immer noch, dass sie sich von allen Fächern am meisten für Mathematik und Computer interessierte. Auf der Highschool hatte sie praktisch nie einen Computer zu Gesicht bekommen, wenn man einmal von einem Grundkurs zum Schreiben im Zehnfingersystem absah, und in Mathe war sie gerade mitgekommen. Andererseits hatte sie auch nie ernsthaft den Versuch unternommen, eins von beiden zu verstehen. Sie war davon ausgegangen, dass die Einschätzung ihrer Familie, was ihre Intelligenz betraf, richtig war und dass es ihr an den notwendigen geistigen Fähigkeiten fehlte, die man für die exakten Wissenschaften brauchte.
    Als sie sich nach ihrer Scheidung von Wesley in Atlanta auf dem College eingeschrieben hatte, hatte sie gar keine andere Wahl gehabt, als einen Pflichtkurs in Mathe zu belegen, und für den Computerkurs hatte sie sich angemeldet, um den Anschluss an das neue Jahrtausend nicht vollends zu verpassen. In dem Bestreben, sich eine umfassende Allgemeinbildung zuzulegen, hatte sie sich bemüht, wenigstens so viel zu begreifen, dass sie die Abschlussprüfungen bestand. Gegen Ende des Jahres gelangte sie zu ihrer eigenen Überraschung zu der Überzeugung, dass sie tatsächlich eine gewisse Begabung für Mathematik und Computer hatte. Um herauszufinden, ob das wirklich der Fall war, hatte sie ihren Stundenplan mit entsprechenden Seminaren voll gestopft, als sie sich an dem College in Seattle eingeschrieben hatte. Mit jedem Tag, an dem sie etwas Neues dazulernte, wuchs ihr Selbstwertgefühl. Jetzt traute sie sich auch langsam zu glauben, dass sie tatsächlich über die erforderlichen Fähigkeiten verfügte, um ein Ziel zu erreichen, von dem sie vor ein paar Monaten noch nicht einmal zu träumen gewagt hätte. Softwareentwicklung.
    Die Freundschaft zu Mary tat ihrem Selbstbewusstsein ebenfalls sehr gut. Ihre neue Freundin behandelte sie, als gehöre sie zu den Top Ten im Mensa-Club.
    Eines Tages, als sie in Aunies Wohnung gemeinsam lernten, warf Mary plötzlich ihren Stift auf den Tisch und ließ sich mit missmutiger Miene auf ihrem Stuhl zurücksinken. »Ich kapier diesen Kram einfach nicht«, sagte sie entnervt und fuhr sich mit den Fingern durch die Locken. »Ich kann von Glück sagen, wenn ich eine Drei schaffe. Warum bin ich nicht so klug wie du?« Sie funkelte Aunie über den Tisch hinweg an. »Pfeif auf die zierliche Figur und den klasse Teint. Ich würde sonst was dafür geben, wenn ich bloß halb so viel Hirn hätte wie du.«
    »Meinst du das wirklich, Mary?« Aunie strahlte ihre Freundin an. »Ich glaube, das ist so ziemlich das Netteste, was jemals jemand zu mir gesagt hat.«
    Mary stützte das Kinn in die Hand und kaute auf ihrem kleinen Finger herum. »Ja, klar«, sagte sie skeptisch. »Als ob du nicht wüsstest, dass du die Beste im ganzen Kurs bist.«
    »Das ist mir neu«, sagte Aunie aufrichtig erstaunt. »Bis letztes Jahr wäre ich nicht auf die Idee gekommen, dass ich auch nur eine Spur von Intelligenz besitze.«
    »Willst du mich auf den Arm nehmen? Ich habe dich am Anfang für eine von diesen unausstehlichen Streberinnen gehalten. Schlau und schön - zum Verzweifeln. Ich konnte mir beim besten Willen nicht erklären, was du auf diesem schäbigen städtischen College zu suchen hast.«
    »Ich bin hier, weil mein Abschlusszeugnis von der Highschool für kein anderes College gereicht hätte.« Aunie lachte. »Mein Gott, du bist Balsam für

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