Du wirst noch an mich denken
Satteltasche und gab ihn ihr. Aus der anderen Tasche zog er eine gepolsterte Lederjacke. »Hier, Jimmy meinte, die würden Sie auch brauchen.« Er nahm ihr die Büchertasche ab und verstaute sie, und dann sah er ihr zu, wie sie die Sachen anzog. Ihr Anblick in Jimmys Jacke, in die sie zweimal hineingepasst hätte und deren Ärmel ihr bis weit über die Fingerspitzen hingen, war einfach zu komisch, und er schob grinsend das getönte Visier ihres Helms nach oben. »Alles in Ordnung, Aunie«, sagte er, als sie ihn mit weit aufgerissenen Augen ansah. »Klettern Sie rauf, und halten Sie sich fest.« Er klappte das Visier wieder nach unten und schwang sich auf das Motorrad.
Aunie setzte sich folgsam hinter ihn und legte ihre Arme um seine Taille. Sie bemerkte, dass ihnen einige ihrer Mitstudenten verblüfft hinterhersahen, als Bob Gas gab und losfuhr. Wie Mary ihr gestern mit leuchtenden Augen berichtet hatte, ging im College seit neuestem das Gerücht um, Aunie Franklin habe Freunde, vor denen man sich besser in Acht nehmen sollte.
James würde das bestimmt mit Freuden vernehmen. Ihre Kommilitonen sollten erst mal warten, bis er sich die Ehre gab. Bis jetzt hatten sie ihn noch nicht zu Gesicht bekommen, und vermutlich war er von allen derjenige, vor dem man sich am meisten in Acht nehmen sollte. Sie fand seine Einfälle langsam richtig unheimlich.
James beobachtete von einem Fenster seiner Wohnung aus, wie sie einige Zeit später vom Motorrad seines Bruders kletterte. Als er sie in seiner Lederjacke sah, verspürte er erneut dieses merkwürdige Ziehen in der Brust. Sie nahm mit unsichtbaren, von den Ärmeln der Jacke verborgenen Händen den Helm ab und gab ihn Bob. Dann schüttelte sie den Kopf, während sie etwas zu ihm sagte, und die glänzenden braunen Haare, deren Schnitt einen teuren Friseur verriet, flogen ihr um den Kopf, um dann wieder in ihre Form zurückzufallen und sich an Hals und Kinn zu schmiegen. Mit einem leisen Fluch drehte James sich vom Fenster weg.
Unten auf der Straße stellte Aunie die Frage, die ihr gerade durch den Kopf geschossen war. »Müssten Sie eigentlich nicht in der Arbeit sein, Bob?«
»Ich fahre jetzt wieder zurück«, erwiderte er. »Ich habe mir eine Stunde freigenommen.«
»Nur um mich abzuholen? Ach Bobby, das hätten Sie nicht tun sollen.«
»Sie haben sich um meinen Bruder gekümmert, als er jemanden brauchte.« Bob zuckte die Achseln. »Jimmy hat gemeint, an Ihrem College sollen alle mitkriegen, dass Sie Freunde haben, die auf Sie aufpassen. Ich war Ihnen was schuldig, und ich hab's gern getan. Nicht der Rede wert.«
»Doch, das ist es«, widersprach sie und stellte sich auf die Zehenspitzen, um ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange zu geben. Anschließend rieb sie mit dem Daumen über den Lippenstiftfleck, den sie hinterlassen hatte. »Danke.«
»Keine Ursache.« Er reichte ihr die Büchertasche, und auf seinem Gesicht erschien erneut ein Grinsen, als er die zierliche Gestalt in der großen Lederjacke musterte. »Ich kann mich vermutlich darauf verlassen, dass Sie Jimmy seine Jacke zurückgeben, oder?«
»Ja.«
»Okay. Dann bis bald, Aunie.« Er drehte sich um und stieg wieder auf seine Maschine. Dann winkte er ihr noch einmal kurz zu und brauste davon.
James wirkte ziemlich schlecht gelaunt, als sie ihm die Jacke zurückbrachte, deshalb blieb sie nicht länger als unbedingt nötig. Sie ging in ihre Wohnung und rief die Telefongesellschaft an, um die Liste mit den Anrufen der vergangenen Woche durchzugeben.
Die folgende Woche verlief im Wesentlichen genauso wie die vorhergehende. Jeden Tag wartete nach Unterrichtsende einer der Männer auf sie. Zweimal Otis, einmal Bob und zweimal James. Sie brachten sie nach Hause, sie lernte, sie trainierte mit Leon, und sie lernte, wie man mit harten Bandagen kämpfte.
Von den vielen Ideen, die James bis jetzt gehabt hatte, gefiel ihr diese am wenigsten. Die Lektionen waren zu ... schwer.
In jeder Hinsicht.
Sicher, sie lernte, unter Druck zu reagieren, Gefühle umzuleiten, wachsam und konzentriert zu bleiben. Aber es war schwierig, mit ihm zusammen zu sein, wenn man in ihn verliebt war, und sich von ihm behandeln zu lassen wie eine etwas begriffsstutzige kleine Schwester.
Der Höhepunkt der Lektionen war, wenn er ihr Mut machte.
Wenn er von ihr die praktische Anwendung dessen, was er ihr eingedrillt hatte, verlangte, gewann der Begriff »schwer« eine völlig neue Bedeutung.
Ihre Gefühle fuhren Karussell. Er weckte so
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