Du wirst sein nächstes Opfer sein: Thriller (Knaur TB) (German Edition)
die Hantelbank war an die Wand geschoben. In der Mitte des Raumes erhob sich lediglich ein Holzstuhl, dessen vier Beine am Boden festgeschraubt waren. Daneben standen ein kleiner Metalltisch auf Rädern und eine verstellbare Halogen-Stehlampe.
»Ich glaube, dass wir das müssen«, sagte Jack. Er stellte eine schwarze Lederaktentasche auf den Stuhl und öffnete sie. Stahlwerkzeuge funkelten im Lichtschein.
»Bist du dir sicher, dass du das durchhältst?« Sie starrte ihn kalt und abschätzend an. Jack war Mitte dreißig, hatte einen gestählten, muskulösen Körper, und sein braunes Haar lichtete sich bereits. Jetzt bedeckten ihn mehr Narben als damals, als sie angefangen hatten.
»Für den ist das wie ein Schachspiel, Nikki. Unschuldige Menschen sieht er als Bauern, die man opfern muss, um die großen Fische zu fangen. Für ihn ist der Tod eines jeden, sei es ein kleines Kind oder ein Erwachsener, bloß ein Kollateralschaden, den man in Kauf nehmen muss. Und er spielt gern mit der Bombe. Wir müssen ihn aufhalten.«
»Mir war nicht bewusst, dass es unser Anliegen war, Leute aufzuhalten, Jack. Ich dachte, es ginge darum, Fälle abzuschließen. Lücken zu schließen, erinnerst du dich?«
Jack holte ein schwarzes Samttuch aus der Tasche, rollte es auf und legte es auf den Tisch. Lücken schließen. Genau das ließen Serienmörder bei anderen zurück: riesige, klaffende Lücken, Lücken, die einmal Familienmitglieder oder ein Partner ausgefüllt hatten, ein Kind oder ein Elternteil. Er konnte diese Lücken nicht schließen, aber er konnte sie verkleinern. Er konnte den Trauernden ein paar Antworten geben und ihnen sagen, wo ein Leichnam verscharrt worden war oder wie die letzten Worte des geliebten Menschen gelautet hatten. Und nur er allein vermochte ihnen die Gewissheit zu geben, dass der Mörder, der ihnen ein kostbares Leben geraubt hatte, nun ebenfalls tot war.
Und dass er nicht ohne Schmerzen aus dem Leben gegangen war.
»Es geht noch immer darum, Fälle abzuschließen«, sagte Jack. »Verdienen die Familien, die Remote erpresst, etwa nicht, die Wahrheit zu erfahren? Dass ihr Sohn oder ihre Tochter in Wirklichkeit kein Mörder ist, sondern einfach keine andere Wahl hatte?«
»Im Ernst, Jack? Komisch, dass du dich nie für die Freunde und Familien von denen interessiert hast, die wir umgebracht haben.«
Jack nahm ein schimmerndes Skalpell aus der Tasche und plazierte es auf dem schwarzen Tuch. Dazu legte er eine Gartenschere.
»Ich interessiere mich durchaus für sie, Nikki. Mir tut die Mutter leid, die mit der Tatsache konfrontiert wird, dass sie einen Soziopathen großgezogen hat. Mir tut die Frau leid, die nie begriffen hat, wem sie da eigentlich das Jawort gegeben hat. Mir tun all die Kollegen leid, die so ein Mörder jahrelang verarscht hat. Und mir tun die Leute leid, die die Wahrheit erfahren.«
»Jene Wahrheit, die wir der Polizei überlassen, wenn wir sie herausgefunden haben. Vielleicht sollten wir das hier auch tun, Jack. Überlasse es doch der Polizei, sich um diesen Kerl zu kümmern.«
Jack griff nach einer Bügelsäge und fuhr mit dem Daumen sacht über das Sägeblatt, um seine Schärfe zu prüfen. »Nein. Wir wissen nicht, wer er ist oder von wo aus er operiert. Wir haben keine konkreten Hinweise, die wir weitergeben könnten. Womöglich würden wir nur erreichen, dass gegen uns ermittelt wird, wenn wir jetzt mit der Polizei reden würden. Wir sind die Einzigen, die an ihn herankommen können.«
»Und dann? Dann stellen wir die Leute bloß, die er genötigt hat, um deren Leben noch schlimmer zu machen? Mein Gott, Jack, bei dieser Sache können wir nicht gewinnen, ohne uns die Hände schmutzig zu machen, egal, wie wir es anstellen.«
Jack legte die Säge zurück und sah Nikki in die Augen. »Wir machen uns bei allem, was wir tun, die Hände schmutzig, Nikki. Wir tun nur unsere Pflicht, sonst nichts. Und dies ist unsere Pflicht.«
Sie musterte ihn einen Moment, bevor sie antwortete. Nikki hatte noch nie einen Mann gesehen, der so entschlossen war wie Jack, der sich so voll und ganz seiner Sache verschrieb. Ihr war klar, dass er mit ganzer Seele an das glaubte, was er tat, und dass er sich die Konsequenzen bewusstgemacht hatte und bereit war, sie, ohne mit der Wimper zu zucken, zu tragen. Vor keinem anderen Menschen hatte sie einen derart großen Respekt, und doch würde sie nicht zögern, ihm zu widersprechen, wenn sie der Meinung war, dass er Widerspruch nötig hatte. Jack war so
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