Du wirst sein nächstes Opfer sein: Thriller (Knaur TB) (German Edition)
Künstler machte, was ich tat, sondern vor allem das, wer ich bin. Das kann ich nicht ändern. Meine Taten kann ich beeinflussen, aber nicht die Summe all meiner Erfahrungen, die mich als Person ausmachen. Deshalb versuche ich, beides zu verbinden, aber das ist schwer. Sehr schwer.«
»Damit kann ich dir helfen, Jack. Denn ich weiß … «
Jack hob die Hand, um ihm das Wort abzuschneiden. »Nein. Du hast einen Weg gefunden, mit dir und deinem Leben zurechtzukommen, und das respektiere ich. Aber manchmal ist es nicht richtig, seine Anliegen miteinander zu verschmelzen, um ein Gleichgewicht zu erhalten. Manchmal braucht man widerstreitende Kräfte, die sich gegenseitig im Zaum halten. In der Kunst sind zwei solche Kräfte Geld und Integrität. Du musst von irgendetwas leben, um weiterarbeiten zu können. Gleichzeitig musst du deiner schöpferischen Vision treu bleiben. Du brauchst eine Linie, die du nicht überschreiten darfst, einen Punkt, an dem der kommerzielle Anreiz das erstickt, was du eigentlich ausdrücken willst. An diesen Punkt bin ich mit meiner Kunst nie gekommen, weil ich nicht erfolgreich genug war. Aber ich glaube, inzwischen weiß ich, wo diese Linie verläuft.«
Remote sprach mit leiser Stimme. »Und diese Linie bin ich?«
»Die Linie habe ich längst überschritten, Remote. Ich habe einmal jemanden umgebracht, nicht für das, was er getan hat, sondern für das, was er vielleicht getan hätte. Ich habe aus reiner Zweckmäßigkeit getötet. Was ich getan habe, kann ich nicht mehr rückgängig machen, aber ich kann beschließen, es nie wieder zu tun. Ich kann beschließen, keine Kompromisse einzugehen, wenn es um das Leben Unschuldiger geht, selbst wenn es am Ende mein eigenes Leben kostet.«
»Das ist dann wohl der Unterschied zwischen uns beiden. Ich bin bereit, andere für das Erreichen eines höheren Ziels zu opfern. Du bist lediglich bereit, dich selbst zu opfern.«
»So ist es auch richtig. Ich kann nicht mit dir zusammenarbeiten … Du musst dich für das verantworten, was du getan hast.«
»Du klingst nicht besonders glücklich damit, Jack.«
»Das bin ich auch nicht. Ich glaube, dass du die Welt ganz aufrichtig verbessern willst, obwohl du gar nicht in dieser Welt leben kannst. Ich weiß, wie sich das anfühlt.«
»Du arbeitest nicht mit mir zusammen, du kannst mich nicht foltern – und mich zu töten bedeutet, dass Unschuldige sterben. Anscheinend sind wir in einer Sackgasse, Jack.«
»Vielleicht nicht. Ich habe da eine Idee …«
Teil 3
Operation
Technischer Fortschritt ist wie eine Axt in den Händen eines pathologischen Kriminellen.
– Albert Einstein
19
T anner betrachtete seine Zielperson durch ein Swarovski-EL-42-Fernglas, ein hochwertiges optisches Gerät, das auch bei wenig Licht ein absolut spektakuläres, kristallklares Bild lieferte. Es war zwar ein bisschen schwer, aber dieser Nachteil wurde dadurch wettgemacht, dass es ihm so gut in der Hand lag. Zweieinhalbtausend Dollar hatte er dafür gezahlt. Etwas Besseres gab es nicht auf dem Markt. Eine der Vergünstigungen aufgrund seiner Tätigkeit war, dass er eine gute Entschuldigung hatte, Geld für teure Spielereien auszugeben.
Tanner saß auf dem Beifahrersitz eines fünf Jahre alten Viertürers, den er speziell für Beobachtungszwecke gekauft hatte. Das ehemalige Polizeiauto, das er bei einer Auktion erstanden hatte, hatte einen Interceptor-Motor und optimale Stoßdämpfung. Er hatte es weiß gestrichen und voller Bedauern die viel zu auffällige Stoßstange abgenommen. Damit es noch unauffälliger wirkte, hatte er ein paar Beulen hineinfabriziert und es nie gewaschen.
Die Zielperson machte gerade Feierabend. Auf dem Schild über der Glastür stand: COPY LAGE. Und darunter in kleineren Buchstaben: »Bist du willens, sind wir in der LAGE!«
Der Mann, der gerade seinen Schlüssel einsteckte, war etwas über fünfzig. Unter seinem braunen Anzugjackett quoll der Bauch hervor, und über seinem aufgedunsenen Gesicht saß ein ungekämmter grauer Haarschopf. Er ging – oder vielmehr watschelte – zu seinem Auto, einem verschrammten Ford unbestimmbaren Typs, stieg ein und ließ den Motor an.
Nachdem der Mann losgefahren war, wartete Tanner noch eine Minute, bevor er selbst den Zündschlüssel herumdrehte und ihm folgte.
»Zielperson ist so vorhersagbar wie ein Junkie, den es am Arm juckt«, sagte Tanner. Auf dem Armaturenbrett lag ein winziges digitales Diktiergerät, und er tat gern so, als wäre er ein Detektiv
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