Du wirst sein nächstes Opfer sein: Thriller (Knaur TB) (German Edition)
sie aus Versehen hochgeht, zu hoch – oder dass die Polizei sie entdeckt, immerhin liegt das Boot in öffentlichen Gewässern. Ich selbst fahre mit dem Boot.«
Jack machte die Landeleine los und sprang an Bord. Er ging davon aus, dass Remote ihm die Wahrheit sagte, denn der Kerl war viel zu besorgt um seine eigene Gesundheit, um das Risiko einzugehen, selbst in die Luft zu fliegen. Selbst Schusswaffen waren ihm offenbar so unangenehm, dass er keine einzige im Panikraum verstaut hatte.
Das Steuerrad war an einen komplizierten Mechanismus angeschlossen, und Jack war überzeugt, dass Remote das Schiff damit fernsteuern konnte. Jack riss sämtliche Kabel und Drähte herunter.
»Sehr gut«, kam Remotes Stimme aus dem Lautsprecher auf dem Steg. »Du hast den letzten Rest meiner Fernsteuerung ausgeschaltet, inklusive der GPS-Peilung. Du bist frei, Jack.«
»Nein, Remote«, gab Jack zurück. »Das bin ich nicht.«
Der Schlüssel steckte im Zündschloss. Der Motor sprang sofort an, und das Boot erwies sich als leicht zu lenken. Jack bewegte sich aufs kabbelige, dunkle Wasser hinaus, ohne zu wissen, wohin er fuhr.
Über die Wasserfläche drang ein Lichtschein zu ihm, der von einem anderen Boot zu stammen schien. Er hielt darauf zu, und fünfzehn Minuten später steuerte er auf einen privaten Landesteg zu. Allerdings lenkte er das Boot nicht ganz bis ans Ufer, sondern wandte sich nach rechts zu einer größeren und helleren Anhäufung weißer Lichter.
Nach weiteren zehn Minuten gelangte er in einen öffentlichen Jachthafen. An der ersten Anlegebucht, die er fand, band er das Boot fest, sprang heraus und machte sich auf die Suche nach einem Telefon. Er hatte weder Geld noch einen Ausweis und war sich nicht einmal sicher, in welchem Staat er sich befand.
Es gelang ihm, die Frau im Hafenbüro zu überreden, dass er das Telefon benutzen durfte, und er rief Nikki an.
»Ich bin’s«, sagte er. »Mit mir ist alles in Ordnung.« Wenn er gesagt hätte, dass es ihm gut ging, hätte sie gewusst, dass er gefangen war.
»Wo bist du?«
»Wie heißt dieser Ort gleich noch mal?«, fragte Jack die Frau, eine mürrisch dreinschauende Brünette von klobiger Statur.
»Orcas Island Marina«, sagte sie.
»Ich bin auf Orcas Island. Das ist eine der San Juan Islands, glaube ich.«
»Wie ist die Lage?«
»Ich habe unseren Freund gefunden, aber er ist nicht ausgeschaltet. Bei dir?«
»Ich sitze in einem Motel außerhalb eines Kaffs namens Pacific, am Highway 50. Im Bad ist ein Biker von der Größe eines Kodiakbärs angekettet. Parkins habe ich laufen lassen. Ich glaube nicht, dass der die Klappe aufmachen wird.«
Jack ließ sich zu einem schwachen Lächeln hinreißen. »Witzig, ich habe genau dasselbe getan.«
»Du hast was?«
»Hast du einen Wagen?«
»Ja. Was brauchst du?«
»Ich nehme mir so bald wie möglich eine Fähre aufs Festland. Kleinen Moment. Entschuldigen Sie, Miss?«
Ein paar Minuten später hatte Jack der Frau genügend Informationen entlockt, um ein Treffen mit Nikki in Seattle zu verabreden. Als das getan war, hängte er auf und schenkte der Frau das herzlichste, vertrauenswürdigste Lächeln. »Hey«, sagte er. »Kennen Sie jemanden, der an einem supergünstigen Boot interessiert ist?«
Remote lehnte sich in dem weißen Lederstuhl zurück und betrachtete die Bildschirmwand – inzwischen waren wieder alle Monitore aktiv. Dabei dachte er nach.
Obwohl jemand in sein Haus eingedrungen und es beschädigt hatte, und obwohl er geschlagen und gefesselt worden war, empfand er keine Wut. O nein, ganz im Gegenteil. Vielmehr fühlte er sich so ermutigt und lebendig, wie er es seit seinem ersten Projekt nicht mehr gewesen war. Er hatte sich mit dem Closer angelegt und überlebt!
Und Jack – er bezweifelte, dass das sein richtiger Name war, aber das spielte im Grunde keine Rolle –, Jack hatte sich als all das erwiesen, was er sich erhofft hatte. Und sogar noch mehr. Klug, hartnäckig, einfallsreich … und erstaunlich vernünftig. Das war Remotes größte Sorge gewesen: dass der Closer zwar funktionsfähig, aber irrsinnig sein könnte. Dass sich das, was er vollbracht hatte und was von außen so brillant wirkte, als das Nebenprodukt eines Wahnsinnigen herausstellen würde, wenn er dem Schöpfer leibhaftig begegnete.
Aber der Closer war kein bisschen verrückter als Remote selbst – und er gestand gern ein, dass man sein Seelenleben nur schwer als normal bezeichnen konnte. Nein, sein ohnehin schon großer
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