Du zahlst den Preis fuer mein Leben
»Mehr kann ich Ihnen auch nicht sagen.«
Riani in Frankfurt? Aber warum hatte sie sich nie gemeldet? Sie hatte doch ihre Adresse in Berlin? Und warum wurde ihr Facebook-Account gelöscht? E-Mails kamen zurück, Empfänger unbekannt.
»Man muss sie doch im Telefonbuch finden können«, meinte Nica.
»Unter welchem Namen? Wenn sie bei der Cousine wohnen, und die mit einem Deutschen verheiratet ist …«
»Vielleicht haben sie eine eigene Wohnung.«
»Das glaube ich nicht, Nica. Woher soll Bapak das Geld dafür haben? Du hast doch gehört, dass er keine Arbeit hatte und verzweifelt nach einer Verdienstmöglichkeit gesucht hat. Ich finde es sowieso verwunderlich, woher er das Geld für die Flugkarten genommen haben soll. Die Direktorin muss sich getäuscht haben. Rianis Familie in Deutschland? Davon hätten wir gehört. Die hätten sich bei uns gemeldet.«
»Vielleicht hat die Cousine das Geld geschickt.«
»Vielleicht ja, vielleicht nein. Wir können nichts anderes tun als abzuwarten. Wenn sie in Deutschland sind, werden sie sich früher oder später melden.«
Diesmal konnte Nica es kaum erwarten, bis die vierzehn Tage in Banda Aceh zu Ende gingen und sie den Rückflug nach Deutschland antreten konnten. Sie hoffte, dass zu Hause eine Nachricht von Riani liegen würde.
Vergeblich.
»Vielleicht meldet sie sich ja noch«, tröstete die Mutter. »Nun warte doch erst mal ab.«
Aber Nica ließ der Gedanke, Riani könnte in Frankfurt sein, keine Ruhe. Es konnte viele Gründe haben, warum sie sich nicht meldete, allerdings fiel Nica nicht einer ein, der Sinn ergab.
In den nächsten Tagen suchte sie im Internet nach Telefonnummern von indonesischen Familien in Frankfurt, von denen einige Hundert in der Stadt lebten. Dabei stieß sie auf die Homepage eines Kulturvereins, in dem sich Deutsche und Indonesier regelmäßig trafen.
Die Dame am Telefon war anfangs ganz freundlich, als Nica sich nach dem nächsten Auftritt des javanischen Gamelan-Orchesters »Wacana Budaya« erkundigte.
»Am nächsten Samstag spielen sie wieder hier bei uns. Wie viele Karten benötigen Sie denn?«
»Ja, also, das weiß ich noch nicht so genau. Ich … ich suche eigentlich eine Familie. Die Kinder heißen Kali und Riani.« Zu dumm, dass sie die Vornamen von Bapak und Ibu nicht wusste. In Indonesien hatten die meisten Menschen keinen Nachnamen. Selbst im Telefonbuch sind alle nach dem Vornamen aufgelistet. Bapak und Ibu aber waren nicht einmal richtige Vornamen, sondern nur die respektvolle Bezeichnung von Vater und Mutter.
Die Dame am Telefon wurde misstrauisch. »Wer sind Sie?«
»Nica Kaiser. Ich kenne Riani und ihre Familie von Banda Aceh. Wir waren vor einer Woche noch dort, meine Mutter und ich, aber sie waren verschwunden. Man hat uns gesagt, dass sie vielleicht in Deutschland sind, weil da eine Cousine lebt.«
»Ich kenne keine Riani. Nie gehört.«
»Und Kali?«, fragte Nica nach.
»Kali …? Vielleicht. Geben Sie mir Ihre Telefonnummer. Ich rufe zurück.«
Das tat die Dame aber nicht.
Stattdessen standen sie eine Woche später plötzlich vor der Tür: Ibu, Bapak und Kali.
»Wo ist Riani?«, war alles, was Nica zur Begrüßung hervorbrachte.
Kalis Eltern sahen sich schweigend an und lächelten verlegen.
»Di mana Riani?«
»Sie kommt später …«, sagte schließlich der Vater.
»Nanti!«,
sagte auch die Mutter und nickte heftig mit dem Kopf.
Kali schwieg.
»Nica, nun lass sie doch erst mal ins Haus. Siehst du nicht, wie müde sie sind.«
Bei Tee und Keksen erzählte Bapak, wie sie nach Deutschland gekommen waren. Er hatte in Banda Aceh keine Arbeit mehr gefunden. Zwar hatte die Regierung mit internationalen Geldern seinen ehemaligen Kollegen und ihm ein Fischerboot zur Verfügung gestellt, aber er konnte wegen der ständigen Kopfschmerzen die harte Arbeit auf dem Meer nicht durchstehen.
»Du kannst nur Geld verdienen, wenn du stark bist. Männer wie ich werden nicht gebraucht«, sagte Bapak. Bei einem Besuch der Cousine aus Frankfurt in Banda Aceh wurden neue Pläne geschmiedet. Bapak und seine Familie sollten nach Frankfurt kommen. Die Cousine kannte jemanden in der Botschaft, der wieder jemanden kannte, der wieder jemanden kannte, der ihm einen Gefallen schuldete. Das war kein unüblicher Weg, um an die nötigen Papiere zu kommen.
Als sie dann aber in Frankfurt ankamen, war alles nicht so leicht, wie gedacht. Sie lebten in der Wohnung der Cousine, die aber auf Dauer zu eng war. Und das mit dem Geldverdienen war
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