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Du zahlst den Preis fuer mein Leben

Du zahlst den Preis fuer mein Leben

Titel: Du zahlst den Preis fuer mein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Philipps
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Moschee, die zu Bapaks Freude nur zehn Minuten Fußweg von der Villa entfernt lag. Das Freitagsgebet in der Moschee war ein Termin, den niemand unter gar keinen Umständen versäumen durfte. Auch hier in Deutschland nicht. Manchmal begleitete Nica sie. Kali dagegen suchte immer öfter Ausreden.
    Die schlimmste Auseinandersetzung zwischen Kali und seinem Vater gab es ausgerechnet in der letzten Woche des Ramadan, des islamischen Fastenmonats, wo Streiten eigentlich tabu war. Kali erklärte, dass er nicht mit zum rituellen Feiertagsgebet an Lebaran kommen würde.
    Ibu sah ihn ungläubig an. »Du kommst nicht mit?«
    Nica hielt den Atem an. Lebaran, mit dem der Fastenmonat zu Ende ging, war eines der wichtigsten Feste im Jahr, so als würden Weihnachten und Neujahr auf einen Tag fallen.
    Sie fürchtete die Auseinandersetzung, die nun unweigerlich kommen würde. Dabei hatte sie sich so auf das Fest gefreut.
    »Ich habe keine Zeit.«
    »Wie, keine Zeit? Der Imam hat das gemeinsame Gebet extra auf den Abend verlegt, damit alle teilnehmen können.«
    »Ich habe keine Zeit!«
    »Wie kannst du so etwas sagen? Keine Zeit? Es gibt nichts Wichtigeres als das Gebet an Lebaran.«
    Kali zuckte mit den Schultern. »Für mich schon!«
    Bapak schaute Kali ungläubig an. »Wie kannst du es wagen! Du verstößt gegen Allahs Gebote! Und wie stehe ich da vor den anderen, wenn mein Sohn das Gebet schwänzt.«
    »Ich muss arbeiten«, sagte Kali.
    »Das kann warten. Du kannst danach weiterarbeiten.«
    »Ich habe einen Job in der Eisdiele.«
    Für einen Moment verschlug es Bapak die Sprache. »Einen Job? Seit wann das denn?«
    »Seit einer Woche. Jeden Tag von 16 bis 20 Uhr.«
    »Aber nicht am Freitag!«
    »Doch gerade am Freitag. Da ist am meisten los. Da muss jeder mithelfen. Sonst verlier ich den Job.«
    »Dann verlierst du ihn eben. Niemand aus meiner Familie versäumt das Gebet an Lebaran! Das war zu Hause so und daran wird sich auch hier nichts ändern. Wozu brauchst du das Geld?«
    »Du weißt wofür. Einer von uns muss anfangen, Geld zu sparen. Sonst ist es irgendwann zu spät.«
    »Hab Vertrauen zu Allah, mein Sohn. Unser Schicksal ist längst in seinem Buch festgehalten. Wenn er es will, wird es passieren. Wenn nicht, nützt auch dein Geld nichts. Wir können nichts an unserem Schicksal ändern.« Mit diesen Worten verzog sich Bapak in seinen Gebetsraum, den er im Gästezimmer eingerichtet hatte.
    Aber Kali war noch nicht fertig. »Was macht ihr mit dem Geld, das Nicas Mutter euch gibt? Ihr braucht doch nicht alles. Spart Bapak … du weißt schon wofür?«, wollte er von seiner Mutter wissen.
    Ibu warf Kali einen warnenden Blick zu. »Bapak will im nächsten Jahr an der Pilgerfahrt nach Mekka teilnehmen, die von der Moschee angeboten wird. Er hat sich schon angemeldet.«
    »Dann muss er sich eben wieder abmelden! Ibu, er hat es ihr versprochen. Du musst mit ihm reden.«
    »Jeder Muslim soll einmal im Leben nach Mekka pilgern. So steht es geschrieben.«
    Kali schaute seine Mutter traurig an. »Irgendwann, Ibu, ist es zu spät.«
    Drei Tage Feiern lagen vor ihnen, über denen durch Kalis Weigerung nun ein dunkler Schatten ruhte. Zusammen mit Ibu probierte Nica ihre neue weiße Mukena, in der sie mit den anderen Frauen zum Gebet in die Moschee gehen würde. Den weißen Jilbab hatte Ibu eigenhändig mit einer Spitze umhäkelt und mit Perlen bestickt.
    Schade dass Riani nicht hier ist, dachte Nica, aber sie traute sich nicht mehr zu fragen. Bapak hatte ihr sehr deutlich zu verstehen gegeben, dass dieses Thema tabu war und dass sie sich wie alle anderen an diese Regel zu halten hatte, wenn sie Teil der Familie bleiben wollte.
    Gemeinsam mit Ibu bereitete Nica auch die Speisen für Lebaran vor. Ibus Spezialität war Kolak, eine Süßspeise aus Kokosnussmilch, Palmzucker und Pandanuss, die vor allem Kali besonders gerne mochte.
    »Wer nicht zum Gebet geht, soll auch nicht essen«, meinte Ibu zu Nica. »Rede mit ihm. Vielleicht hört er auf dich.«
    Dass das keine gute Idee war, hätte sich Nica denken können.
    »Halt dich raus!«, schimpfte Kali schon bei ihren ersten Worten. »Du hast doch keine Ahnung!«
    »Dann erklär es mir!«
    Aber Kali ließ sie stehen und verzog sich in sein Zimmer.
    Nica schaute ihm traurig hinterher. Jahrelang war er wie ihr großer Bruder gewesen, hatte sie immer
»adikku«
, kleine Schwester, genannt, ein Zeichen dafür, dass sie dazugehörte. Jetzt nannte er sie »Nica«, selbst wenn er Indonesisch mit ihr

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