Du zahlst den Preis fuer mein Leben
Strickjacke in eine Tüte und versteckte sie unter einem Busch. Dann verließ sie den Garten durch die Gartenpforte.
Als Kali sie in der Klasse sah, grinste er wieder, sagte aber kein Wort. Mittags zog sie sich an der gleichen Stelle wieder um und erschien zum Essen bei Ibu in Jeans und Strickjacke.
Als weitaus größeres Problem stellte sich aber Nicas Hobby heraus. Aus der Schwimmabteilung des Vereins war sie nach dem Tod des Vaters ausgetreten, obwohl ihr alle großes Talent bescheinigten. Aber Wasser war für immer mit seinem Tod verbunden. Durch Emma war sie eher zufällig in die Volleyballmannschaft geraten und spielte nun seit Jahren mit großem Erfolg.
Ibu, die sich seit Nica bei ihnen eingezogen war, für alles mehr verantwortlich fühlte, als Nica das eigentlich ertragen konnte, wollte sie unbedingt einmal zu einem Spiel begleiten. »Damit ich weiß, was du in deiner Freizeit machst.« Früher hatte Nica sich immer gewünscht, dass ihre Mutter sich die Zeit nehmen würde, sie zu Turnieren zu begleiten, sie anzufeuern, Siege mitzufeiern und sie bei Niederlagen zu trösten – so wie andere Eltern das machten. Die Mutter hatte nie Zeit gehabt. Daher hatten Emmas Eltern Nica zu Hause abgeholt und sie nach dem Spiel wieder zurückgebracht.
Aber das war lange her. Heute brachte niemand mehr seine Eltern mit. Doch Nica traute sich nicht, Ibu zu sagen, dass ihr das peinlich wäre. Es wurde schlimmer als befürchtet. Vom Spiel verstand Ibu nichts, aber das interessierte sie auch von dem Moment an nicht mehr, als die Spielerinnen das Spielfeld betraten. Fassungslos starrte sie auf die kurzen Sporthosen und das Oberteil, das nicht viel größer als ein BH war.
Auf dem Rückweg schwieg Ibu eine Weile. Dann sagte sie: »Wie kann deine Mutter dir so einen Sport erlauben? Keins von den Mädchen wird jemals einen Mann bekommen. Welcher Mann will so ein Mädchen haben? Ich muss unbedingt mit deiner Mutter reden.«
Und das tat sie dann auch, sobald sie zu Hause waren.
»Deine Tochter hüpft halb nackt herum. Es waren auch Männer im Publikum.«
Nicas Mutter lachte. »Sie tragen die vorgeschriebene Sportbekleidung.«
»Aber die Beine sind nackt, der Bauch, einfach alles.« Ibu schüttelte sich. »Eine Frau sollte so einen Sport nicht machen. Eine Muslima würde sich niemals so entblößen.«
»Was ziehen sie denn bei euch an, wenn sie Sport machen?«
»Immer lange Hosen, langärmelige T-Shirts und natürlich einen Jilbab.«
»Einen Jilbab beim Sport?«
Ibu nickte. »Eine anständige Frau trägt den Jilbab, sobald sie das Haus verlässt.«
»Das glaube ich einfach nicht. Und beim Schwimmen?«
»Es gibt Ganzkörperschwimmanzüge, Burkinis, die den ganzen Körper bedecken, einschließlich der Haare.«
»Wie ein Taucheranzug?«
Ibu nickte. »Nur nicht so eng. Kein fremder Mann sollte die Umrisse einer Frau sehen können.«
»Andere Länder, andere Sitten«, sagte die Mutter. »Wenn bei euch die Frauen solche Sportbekleidung tragen, dann ist das in Ordnung. Aber hier bei uns kleiden sich die Sportler anders. Ob das beim Volleyball unbedingt wie ein Bikini sein muss, weiß ich auch nicht. Aber ich bin sicher, dass Nica deshalb keine schlechteren Chancen auf dem Heiratsmarkt hat.«
Ibu war nicht zufrieden mit dem Gespräch. Sie lächelte zwar wie immer, aber man sah, wie schwer ihr das Lächeln fiel. Sie verabschiedete sich schnell.
Da Ulf nicht da war, blieb Nica zum Abendessen bei ihrer Mutter. Sie saßen zusammen und redeten miteinander wie früher, umschifften dabei aber ängstlich das Hauptproblem: Ulf. Es gab Momente wie diesen, da bereute Nica ihren Entschluss, nach oben gezogen zu sein. Bei Ibu und Bapak fühlte sie sich nach wie vor sehr wohl, doch je länger sie hinter ihre
basa-basi-
Gesichter schaute, desto fremder wurden sie ihr. Aber alles war besser, als morgens mit Ulf am Tisch zu sitzen.
Kali dagegen verstand sich mit Ulf von Anfang an bestens. Er hatte ihm einen Job in seinem Ingenieurbüro verschafft, wo Kali jede freie Minute verbrachte. Auch sein Schülerpraktikum wollte er dort machen. »Ich wollte immer Ingenieur werden. Ulf will mir helfen«, erzählte er Nica.
Ulf hier, Ulf da, Nica konnte es bald nicht mehr hören.
»Gib ihm ’ne Chance. Er ist doch kein schlechter Mensch, nur weil er sich in deine Mutter verliebt hat.«
»Sagt doch auch niemand! Ich brauche nur keinen Vaterersatz.«
»Na, dann weiter viel Vergnügen mit Bapak. Ich an deiner Stelle würde es lieber mit Ulf
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