Du zahlst den Preis fuer mein Leben
des Sprachkurses?«
»Was für ’n Sprachkurs? Wer bist du überhaupt?« Die Stimme klang nun misstrauisch.
Im Hintergrund fragte eine Frauenstimme: »Mit wem redest du?«
»Irgend so ’ne Frau. Will was über Kali wissen.«
Es knackte. »Was wollen Sie? Wer sind Sie?«, fragte die misstrauische Frauenstimme.
»Ich bin eine Freundin von Riani. Ich möchte sie gerne sprechen. Sie wohnt doch bei Ihnen.«
Für einen Moment war es still am anderen Ende. »Ich kenne keine Riani.«
»Aber Sie kennen doch Kali und seine Eltern. Die haben doch bei Ihnen gewohnt. Dann müssen Sie doch auch ihre kleine Tochter kennen. Riani. Sie ist 14 Jahre alt. Sie …«
»Dazu kann ich nichts sagen. Da musst du schon Bapak fragen.« Sie legte auf.
Nica blieb auf der Holzbank neben dem Grabstein des Vaters sitzen und dachte nach. Warum kannte der Junge Riani nicht? Warum wollte die Frau nicht mit ihr reden? Hatte Bapak es verboten? Aber warum? Was war mit Riani passiert? Vielleicht lebte sie gar nicht mehr und niemand traute sich, ihr das zu sagen?
»Nica! Essen ist fertig! Wo bleibst du denn?« Sie hielt noch immer den Hörer in der Hand, als Kali, von Ibu geschickt, herunterkam. »Was ist denn mit dir los? Du bist ganz blass!«
»Alles o.k. Hab nur Hunger.«
Beim Essen war Nica ungewöhnlich schweigsam.
»Sedikit putri?«
Ibu betrachtete sie mit Sorge. Sie streichelte ihr liebevoll über das Haar. »Bist du krank?«, wiederholte sie.
Nica schüttelte den Kopf. »Ich habe schlecht geschlafen. Bin nur müde.«
Kali starrte seine Mutter finster an, wie immer, wenn sie Nica ihre kleine Tochter nannte. Er schob seinen Teller von sich, stand auf und sagte: »Sie ist nicht deine Tochter und wird es auch nie sein. Du hattest eine Tochter, aber die hast du für immer verloren!«
Ibu zuckte zusammen, als hätte er sie geschlagen. Dann legte sie die Hände vor das Gesicht und fing bitterlich an zu weinen.
Nica war entsetzt. Ihre schlimmsten Befürchtungen schienen wahr zu werden. Riani war tot! Warum sonst sollte Ibu so weinen?
»Sie ist tot!«, flüsterte sie. »Sag es mir. Sie ist tot!«
»Wer ist tot?« Bapak war unbemerkt hereingekommen und stand jetzt etwas hilflos vor den beiden weinenden Frauen.
»Riani!«, schluchzte Nica.
»Wie kommst du denn darauf?« Er warf seiner Frau einen bösen Blick zu. »Was hast du ihr erzählt?«
Ibu schüttelte den Kopf. »Nichts!«
»Nica, Riani lebt.«
»Aber die Frau am Telefon …«
»Welche Frau?«
»Na, die in Frankfurt. Ich hab sie angerufen, weil ich wissen wollte, was mit Riani los ist«, sagte Nica etwas kleinlaut.
Bapak starrte sie ungläubig an. »Obwohl ich es verboten habe? Wie konntest du das tun, Nica! Bei uns gibt es ein Sprichwort, das lautet: Wer sich in Dinge einmischt, die ihn nichts angehen, hört Dinge, die ihm nicht gefallen. Also misch dich nicht ein! Und jetzt geh bitte auf dein Zimmer.«
»Aber wenn sie lebt, warum schreibt sie dann nicht? Seit einem Jahr ist ihr Account bei Facebook gelöscht. Ist sie schwer krank? Kann ich sie besuchen?«
»Geh! Wir werden sehen!« Bapaks Gesicht duldete keinen Widerspruch und Nica wusste, dass hier oben sein Wort Gesetz war. Niemand, auch Kali nicht, zweifelte das jemals an. Er war der Vater und damit das Oberhaupt der Familie. Widerspruch war zwecklos.
10
Riani lebte! Das hatte Bapak deutlich gesagt, es gab keinen Grund, es anzuzweifeln. Also hatten der Junge und die Frau am Telefon in Frankfurt gelogen. Vielleicht hatte Bapak verboten, dass sie Auskunft über seine Tochter geben. Aber warum? War sie krank? Dann musste man ihr helfen.
Am selben Abend versuchte Nica es erneut in Frankfurt. Vorsichtshalber war sie nach unten ins Wohnzimmer gegangen. Wieder war der Junge am Apparat. »Du schon wieder.«
»Warum kann ich nicht mit Riani reden? Ist sie krank? Bitte, ich mach mir große Sorgen. Sie ist meine beste Freundin …«
»Ich kenne keine Riani.« Er machte eine kurze Pause. Dann flüsterte er. »Sag aber nicht, dass du es von mir hast: Sie ist nicht mitgekommen.«
»Nicht mitgekommen? Was soll das denn heißen? Wo ist sie dann?«
»Keine Ahnung! Sie war nicht im Flugzeug. Ich war am Flughafen mit meiner Mutter …« Stimmen im Hintergrund.
»Nicht im Flugzeug? Was redest du? Hey, hallo … hallo!«
Der Junge hatte aufgelegt.
Kurze Zeit später klingelte es. Als Nica öffnete, stürmte Bapak herein. Er war wütend. »Was fällt dir ein! Ich habe gesagt, du sollst dich da raushalten! Es ist meine Familie und
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