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Du zahlst den Preis fuer mein Leben

Du zahlst den Preis fuer mein Leben

Titel: Du zahlst den Preis fuer mein Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Philipps
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meine Tochter!«
    Zuerst verstand Nica kein Wort.
    »Meine Cousine hat angerufen. Du hast versucht, ihren Enkel auszufragen. So was macht man nicht! Es gibt Regeln bei uns, die sind anders als hier. Und eine lautet: Misch dich nicht ein.
    »Tut mir leid! Ich dachte nur … ich wollte nur … helfen.«
    »Wir brauchen deine Hilfe nicht. Was denkst du dir eigentlich? Nur weil deine Mutter Geld hat, kannst du nicht machen, was du willst, jedenfalls nicht in meiner Familie!«
    »Riani ist meine Freundin. Ich wollte doch nur … Was ist daran denn so schlimm?«
    »
Diskusi tidak! Saya ayah! Saya memutuskan!
Keine Diskussionen! Ich bin der Vater! Ich entscheide!« Er warf ihr einen strengen Blick zu und verließ die Wohnung. Nica hörte ihn auf der Treppe poltern, dann fiel oben die Tür mit einem Knall zu.
    Für einen Moment saß Nica regungslos da. Noch nie hatte Bapak in diesem Ton mit ihr geredet. Er war immer freundlich, lächelte. Zwar hatte sie manchmal seine laute Stimme gehört, wenn er mit Ibu oder Kali sprach, aber nie sich oder der Mutter gegenüber.
    Kali, der die Szene mitbekommen hatte, betrachtete sie schweigend.
    »Warum will niemand darüber reden? Es geht doch um meine beste Freundin«, fragte Nica.
    »Es geht nicht um Riani. Es geht um
siri

    »Was ist das?
Siri

    »Die Ehre, die Ehre der Familie.«
    In Nicas Kopf stiegen Bilder aus dem Fernsehen hoch: die blutüberströmte Leiche eines jungen türkischen Mädchens, das von seinem Bruder im Auftrag des Vaters erstochen wurde, weil sie die Ehre der Familie verletzt habe, als sie sich mit einem Deutschen einließ.
    »Ich wusste gar nicht, dass es bei euch auch Ehrenmorde gibt.«
    Kali schaute sie verwundert an. »Ehrenmord? Was ist das?«
    »Wenn die ›Ehre‹ einer Familie beschmutzt wird durch ein Familienmitglied oder durch jemanden von außerhalb. In manchen muslimischen Familien wird das blutig gerächt, indem man den anderen umbringt.«
    Kali schüttelte angeekelt den Kopf. »Nee, bei uns wird keiner umgebracht, aber alle leiden, wenn die Familie das Gesicht verliert. Niemand will dann noch etwas mit dir zu tun haben. Du kannst keine Geschäfte mehr machen, niemand heiratet jemanden aus einer solchen Familie. Aber das verstehst du nicht.«
    »Dann erklär es mir!«
    »Das versuch ich ja. Aber du bist eine Frau, und das mit der Ehre ist ein Männerding.«
    »Aber es geht doch um Riani. Versteht sie es denn?«
    »Ich weiß nicht, ob sie es versteht. Das muss sie auch gar nicht. Sie muss einfach nur gehorchen.«
    »Was soll das denn heißen?«
    »Ich sag ja, du verstehst es nicht.«

11
    Als Nica am nächsten Morgen aufwachte, hatte sie starke Kopfschmerzen. Am liebsten wäre sie im Bett geblieben, aber sie musste heute ein Referat halten, an dem sie seit Wochen gearbeitet hatte. Mühsam wühlte sie sich hoch, auf das Frühstück verzichtete sie. Sie wollte Bapak nur ungerne begegnen. Sie schlich aus dem Haus, ohne jemandem über den Weg gelaufen zu sein.
    »Indonesien besteht aus 17508 Inseln und ist damit der größte Inselstaat der Welt. 240 Millionen Menschen leben dort, das ist die viertgrößte Nation auf der Erde. 88% der Einwohner sind Muslime«, so begann Nica in der zweiten Stunde ihr Referat über Indonesien.
    »Und darum trägst du heute Kopftuch oder was?«
    »Nee, weil sie in Kali verliebt ist.«
    »Was hat’n das mit dem Kopftuch zu tun?«
    Alle lachten und redeten durcheinander. Was Nica sonst noch zu sagen hatte, interessierte keinen mehr.
    »Ich finde es sehr anschaulich, dass Nica heute ein Kopftuch angelegt hat«, meinte Herr Kunze, der Geografielehrer.
    »Es ist ein Jilbab«, erklärte Nica.
    »Wie auch immer. Ein Referat mit allen Sinnen. Damit wir einen Eindruck bekommen, wie die meisten Frauen in Indonesien herumlaufen.«
    »Kopftuch ist was für alte Leute. Meine Oma auf dem Dorf hat auch immer ’n Kopftuch auf.«
    »Genau! Nica sieht aus wie ’ne alte Oma.« Leon war heute besonders giftig.
    Nur Kali saß bewegungslos da und starrte sie so böse an, dass Nica nicht mehr wusste, ob es tatsächlich eine gute Idee war, heute mit ihrem Jilbab in die Schule zu kommen. Sie hatte ihn zu ihrem letzten Geburtstag von Ibu bekommen. Einen Original-Jilbab aus Indonesien aus grüner Seide.
    »In Indonesien tragen die meisten jungen Muslimas ein Kopftuch«, erklärte Nica, »manchmal sogar schon Kindergartenkinder.«
    »Darf man ohne Kopftuch nach draußen gehen?«, wollte Emma wissen.
    »Klar doch!«
    »Nein!«, sagte Kali.

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