Du zahlst den Preis fuer mein Leben
gefällt oder nicht.«
»Zu
deinem
Leben! Stell dir vor, Papa lebt noch und steht auf einmal in der Tür … Nach dem Zweiten Weltkrieg war das auch so. Da hatten die Frauen neue Männer, weil sie dachten, ihrer sei gestorben und dann …«
»Wir sind aber nicht im Krieg, Nica. Ich versteh ja, dass es dir schwerfällt, wenn Ulf …«
»Ich hasse ihn. Er behandelt mich wie ein kleines Kind: Nica, Liebes, wie kannst du so mit deiner Mutter reden?«, äffte Nica ihn nach.
»Er meint es doch nur gut. Er hat keine eigenen Kinder und du machst es ihm auch nicht gerade leicht, dich wie eine Erwachsene zu behandeln.«
»Ich bin vierzehn!«
»Dann benimm dich auch so. Zum Erwachsensein gehört auch, dass man bereit ist, seine Träume zu begraben und das Beste aus dem zu machen, was das Leben mit einem vorhat.«
»So ein Quatsch. Ulf als neuen Papa, oder wie! Vergiss es!«
Am liebsten wäre Nica aufgesprungen und nach oben gelaufen. Aber sie brauchte ihre Mutter für die Reise nach Banda Aceh. Also holte sie tief Luft und lächelte die Mutter an. »Tut mir leid! Ich brauche Zeit.«
»Schon in Ordnung.«
»Und Banda Aceh? Können wir nicht ein letztes Mal? Bitte. Um Abschied zu nehmen.«
»Wir haben schon so oft Abschied genommen …«
»Abschied, von wem?« Ulf war unbemerkt durch die Terrassentür hereingekommen. Er begrüßte Nicas Mutter mit einem zärtlichen Kuss auf den Nacken. »Hallo Nica. Schön, dass du da bist. Aber wenn ihr was zu besprechen habt, warte ich draußen.«
»Abschied von meinem Vater!«, sagte Nica und betonte das Wort Vater besonders deutlich. »Wir wollen noch mal nach Banda Aceh fahren.«
»Von ›wir‹ kann keine Rede sein. Nica will unbedingt nach ihrer Freundin Riani suchen.«
Nica hasste die Mutter dafür. Was ging Ulf ihre Suche nach Riani an? Aber Ulf wusste offenbar bestens Bescheid. Die Mutter hatte alles ausgeplaudert.
»Die Schwester von Kali? Die nicht mitgekommen ist? Ja, ist sie denn noch in Indonesien? Ich dachte in Frankfurt.«
Nica warf der Mutter einen bösen Blick zu. Wie konnte sie nur!
»Sie ist nicht mitgeflogen. Aber sie hat ihre Schule geschmissen. Sie hatte einen Traum, wollte studieren und Lehrerin werden. Jetzt schreibt sie so komische Sachen: ›Träume sind nichts für arme Menschen.‹ Das ist nicht die Riani, die ich kenne. Ich habe Angst. Und ihre Eltern wollen nicht, dass ich Kontakt mit ihr habe.« Noch nie hatte Nica so viele Worte zu Ulf gesagt.
»Dann solltet ihr fahren und sie suchen. Es wäre schade, wenn ihr Weihnachten fahrt, aber nach Weihnachten. Du hast doch zwei Wochen Ferien.«
Nica schaute Ulf verblüfft an. Meinte er das ernst?
Die Mutter war verärgert. »Was soll das, Ulf? Ich mach ihr gerade klar, dass sie vergessen muss, und du …«
»Jeder trauert auf seine Weise. Und wenn dies Nicas Weg ist, dann solltest du das respektieren.«
Wollte Ulf sich bei ihr einschleimen? Egal, Hauptsache, die Mutter war einverstanden.
Am Tag nach Weihnachten brachte Ulf sie zum Flughafen. Kalis Familie erzählten sie nur, dass sie Freunde besuchten. Es war eine kleine Notlüge, aber so ganz falsch war es dann auch wieder nicht.
13
In Banda Aceh gingen sie auf den vertrauten Wegen, besuchten die Massengräber, legten Blumen am Strand nieder. Sonst erinnerten nur noch die schrecklichen Bilder im Kopf an die Katastrophe. In der Stadt waren weitere neue Hotels, Läden, Restaurants und Cafés gebaut worden, die Straßen wimmelten von Autos.
Nica lebte sich wie immer, wenn sie hierherkam, sehr schnell ein. Sie liebte das Land, die Menschen, die Sprache. Die Mutter dagegen betrachtete alles mit einem sehr kritischen Blick. Man merkte ihr an, dass sie eigentlich gar nicht hatte herkommen wollen. Vor allem die vielen Kopftuch tragenden Frauen machten ihr zu schaffen.
»Hauptsache, die verhaften uns jetzt nicht wegen unserer Jeans!«, sagte die Mutter. »Seit die hier die Scharia wieder eingeführt haben, fühle ich mich nicht mehr wohl.«
»Als Ausländerin bist du sicher.«
»Na ja. Dieser Scharia-Polizei trau ich nicht über den Weg. Ich bin froh, dass du kein Kopftuch trägst. Sonst könnten die dich mit einer Muslima verwechseln. Jeans zu Kopftuch ist verboten.«
»Was hast du immer gegen den Jilbab?«
»Na hör mal, schau dich um. Glaubst du, die jungen Frauen tragen bei der Hitze alle freiwillig ein Kopftuch?«
»Es sind schöne Kopftücher aus Seide. Ibu hat mir auch eins geschenkt. Ich werde dir eins kaufen. Das ist hier wie
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