Dublin Street - Gefaehrliche Sehnsucht
hinunterging.
Ich zuckte zusammen. »Joss! Merk dir das!«, rief ich erbost zurück und versuchte, sein Gelächter zu ignorieren.
*
»So, nachdem wir uns vorgestellt und die grundlegenden Dinge besprochen haben, möchten Sie mir jetzt vielleicht erzählen, warum Sie das Gefühl hatten, es wäre an der Zeit, mit jemandem zu sprechen?«, fragte mich Dr. Kathryn Pritchard sanft.
Warum schlugen Therapeuten immer diesen sanften Ton an? Er war wohl beruhigend gemeint, klang aber in meinen Ohren noch immer so herablassend wie damals, als ich vierzehn war.
Eine Woche war seit dem Morgen in der Küche mit Braden vergangen, und nun saß ich in der großen Praxis einer Therapeutin auf der North St. Andrews Lane. Die Räumlichkeiten waren überraschend kühl und modern eingerichtet, nicht so unordentlich, aber gemütlich wie die der Therapeutin, zu der ich während meiner Schulzeit geschickt worden war. Außerdem war die Therapie über die Highschool gratis gewesen. Dieser Wildleder-und-Glas-Schick kostete mich ein kleines Vermögen.
»Sie bräuchten ein paar Blumen oder so was«, bemerkte ich. »Als Farbtupfer. Ihre Praxis ist nicht sehr einladend.«
Sie grinste mich an. »Notiert.«
Ich erwiderte nichts darauf.
»Jocelyn …«
»Joss.«
»Joss. Warum sind Sie hier?«
Ich spürte, wie sich mein Magen zusammenkrampfte und mir der kalte Schweiß ausbrach, und ich beeilte mich, mir ins Gedächtnis zu rufen, dass alles, was ich ihr erzählte, unter uns bleiben würde. Ich würde sie außerhalb ihrer Praxis nicht zu Gesicht bekommen, und sie würde meine Vergangenheit nie gegen mich verwenden oder mich persönlich kennenlernen. Ich holte tief Atem. »Ich bekomme wieder Panikattacken.«
»Wieder?«
»Mit vierzehn hatte ich dauernd welche.«
»Panikattacken werden von allen möglichen Ängsten ausgelöst. Was war damals? Was ist in Ihrem Leben vorgefallen?«
Ich schluckte den Kloß in meiner Kehle hinunter. »Meine Eltern und meine kleine Schwester kamen bei einem Autounfall ums Leben. Andere Familie habe ich nicht – nur einen Onkel, der sich einen Dreck um mich schert – und daher habe ich den Rest meiner Teenagerjahre bei Pflegeeltern verbracht.«
Dr. Pritchard hatte sich Notizen gemacht, während ich sprach. Jetzt hielt sie damit inne und sah mir direkt in die Augen. »Das tut mir sehr leid, Joss.«
Ich spürte, wie ich mich angesichts ihres aufrichtigen Mitgefühls entspannte, und beantwortete es mit einem Nicken.
»Nach ihrem Tod begannen also die Panikattacken. Können Sie mir die Symptome beschreiben?«
Ich zählte die einzelnen Symptome auf, wobei sie jedes Mal nickte.
»Gibt es einen bestimmten Auslöser? Einen, dessen Sie sich bewusst sind?«
»Ich erlaube mir nicht, viel an sie zu denken. An meine Familie, meine Erinnerungen an sie, richtige, greifbare Erinnerungen, keine vagen Eindrücke … diese Erinnerungen lösen die Attacken aus.«
»Aber sie hatten aufgehört?«
Ich kräuselte die Lippen. »Ich bin wirklich gut darin geworden, nicht an sie zu denken.«
Dr. Pritchard zog eine Braue hoch. »Acht Jahre lang?«
Ich zuckte die Achseln. »Ich kann mir Fotos ansehen, ich kann mir flüchtige Gedanken erlauben, aber ich vermeide echte Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit.«
»Und jetzt haben Ihre Panikattacken wieder eingesetzt?«
»Ich habe angefangen, nicht mehr so sehr auf der Hut zu sein. Ich habe Erinnerungen zugelassen – und bekam eine Panikattacke im Fitnessstudio und dann eine bei einem Familiendinner bei einer Freundin.«
»Woran haben Sie in dem Fitnessstudio gedacht?«
Ich rutschte unbehaglich auf dem Stuhl herum. »Ich bin Schriftstellerin. Na ja, dabei, eine zu werden. Ich habe begonnen, über die Geschichte meiner Mum nachzudenken. Es ist eine gute Geschichte. Traurig. Aber ich glaube, sie würde den Leuten gefallen. Wie dem auch sei, mir kam eine Erinnerung – eigentlich mehrere – an meine Eltern und an ihre Beziehung. Sie führten eine gute Beziehung. Und bevor ich mich versah, half mir irgendein Typ vom Laufband.«
»Und das Familiendinner? War es das erste, an dem Sie seit Ihrer Zeit bei Ihren Pflegeeltern teilgenommen haben?«
»Bei meinen Pflegeeltern gab es so etwas wie Familiendinner nicht.« Ich lächelte humorlos.
»Also war es das erste seit dem Tod Ihrer Eltern?«
»Ja.«
»Und es hat gleichfalls Erinnerungen ausgelöst?«
»Ja.«
»Hat es in Ihrem Leben kürzlich bedeutende Veränderungen gegeben, Joss?«
Ich dachte an Ellie und Braden und unseren
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