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Dubliner (German Edition)

Dubliner (German Edition)

Titel: Dubliner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Joyce
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hinter sich hatte; und im Übrigen war er von Natur aus ein Optimist. Der Vierte im Bunde war hingegen zu aufgeregt, um wirklich glücklich zu sein.
    Er war etwa sechsundzwanzig Jahre alt und hatte einen weichen hellbraunen Schnurrbart und ziemlich unschuldig blickende graue Augen. Sein Vater, der in jungen Jahren ein glühender Nationalist gewesen war, hatte seine Ansichten schon früh angepasst. Er hatte als Metzger in Kingstown * viel Geld verdient, und als er Läden in Dublin und verschiedenen Vororten eröffnete, hatte er sein Vermögen vervielfacht. Er hatte außerdem das Glück gehabt, dass er sich einige Verträge mit der Polizei sichern konnte, und schließlich war er so wohlhabend, dass er in den Zeitungen in Dublin als einer der Fürsten der Geschäftswelt bezeichnet wurde. Seinen Sohn hatte er auf eines der großen katholischen Internate in England geschickt und anschließend auf die Universität von Dublin, um Jura zu studieren. Jimmy betrieb sein Studium nicht sehr ernsthaft und geriet eine Zeit lang aus der Bahn. Er hatte Geld, und er war beliebt; und eigenartigerweise verbrachte er seine Zeit gleichermaßen in Musik- und in Motorsportkreisen. Dann wurde er für ein Trimester nach Cambridge geschickt, um das Leben kennenzulernen. Sein Vater machte ihm Vorhaltungen, war aber insgeheim stolz auf seine Verschwendung, beglich alle Rechnungen und holte ihn nach Hause. In Cambridge hatte Jimmy Ségouin kennengelernt. Es war bisher nur eine lockere Bekanntschaft, aber Jimmy genoss die Nähe voneinem, der schon so viel von der Welt gesehen hatte und der, wie man hörte, mehrere der größten Hotels in Frankreich besaß. So jemanden zu kennen, war viel wert (und sein Vater stimmte dem zu), selbst wenn Ségouin nicht der charmante Gesellschafter gewesen wäre, der er war. Villona war ebenfalls unterhaltsam – ein brillanter Klavierspieler – nur unglücklicherweise sehr arm.
    Das Auto mit seiner Ladung übermütiger junger Leute setzte seine Fahrt fröhlich fort. Die beiden Cousins saßen auf den Vordersitzen; Jimmy und sein ungarischer Freund saßen hinten. Villona war zweifellos glänzender Laune; und Meile um Meile summte er mit seiner Bassstimme eine Melodie. Die Franzosen warfen ihr Gelächter und ihre Scherze über ihre Schultern nach hinten, und Jimmy musste sich oft vorbeugen, um die flüchtigen Bemerkungen aufzuschnappen. Er fand das recht unangenehm, weil er den Sinn fast jedes Mal blitzschnell erraten und dann eine passende Antwort in den scharfen Fahrtwind hineinbrüllen musste. Außerdem hätte Villonas Summen jeden durcheinandergebracht; der Lärm des Autos auch.
    Schnelles Fahren wirkt berauschend; ebenso Berühmtheit, ebenso der Besitz von Geld. Dies waren drei gute Gründe für Jimmys Erregtheit. Viele seiner Freunde hatten ihn an diesem Tag in Gesellschaft dieser Besucher vom Kontinent gesehen. An der Box hatte Ségouin ihn einem der französischen Rennfahrer vorgestellt, und dessen sonnengebräuntes Gesicht hatte seine verlegen gemurmelten Komplimente mit dem Blecken einer Reihe strahlend weißer Zähne beantwortet. Es tat gut, nach dieser Auszeichnung in die profane Welt der Zuschauer zurückzukehren, die einander anstießen und sich vielsagende Blicke zuwarfen. Und was das Geld angeht – er hatte wirklich einen großen Betrag zur Verfügung. Für Ségouin wäre das vielleicht kein großer Betrag gewesen, aber Jimmy hattetrotz gelegentlicher Verirrungen gesunde Instinkte geerbt und wusste in seinem Innersten genau, mit wie viel Mühe dieses Geld zusammengetragen worden war. Dieses Wissen hatte in der Vergangenheit dafür gesorgt, dass seine Rechnungen sich innerhalb vernünftiger Grenzen der Verschwendung hielten, und wenn er sich der harten Arbeit, die in Geld enthalten ist, schon bewusst war, als es sich nur um ein zeitweiliges Aussetzen der höheren Vernunft handelte, dann galt das umso mehr jetzt, da er im Begriff stand, den größten Teil seines Vermögens zu riskieren! Es war eine ernste Sache für ihn.
    Selbstverständlich war es eine gute Geldanlage, und es war Ségouin gelungen, den Eindruck zu erwecken, dass es sich um eine Gefälligkeit unter Freunden handelte, wenn das bisschen Geld aus Irland dem Kapital des Unternehmens hinzugefügt wurde. Jimmy hatte Hochachtung vor der Geschäftstüchtigkeit seines Vaters, und es war sein Vater gewesen, der in diesem Fall als Erster zu der Investition geraten hatte: Im Automobilgeschäft war Geld zu verdienen, ein Haufen Geld. Außerdem

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