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Dubliner (German Edition)

Dubliner (German Edition)

Titel: Dubliner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Joyce
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umgab Ségouin der unverkennbare Hauch von Reichtum. Jimmy machte sich daran, das stattliche Auto, in dem er saß, in Arbeitstage umzurechnen. Wie ruhig es dahinfuhr. Wie elegant sie über die Landstraßen gebraust waren! Diese Fahrt legte einen magischen Finger auf den wahren Puls des Lebens, und der Mechanismus der menschlichen Nerven bemühte sich tapfer, dem federnden Lauf des schnellen blauen Tieres zu folgen.
    Sie fuhren die Dame Street entlang. Es herrschte ungewöhnlich lebhafter Verkehr, Automobilisten hupten laut und Straßenbahnfahrer klingelten ungeduldig. In der Nähe der Bank hielt Ségouin, und Jimmy und sein Freund stiegen aus. Eine kleine Menschenmenge blieb auf dem Bürgersteig stehen, um das schnaubende Fahrzeug zu bewundern. Die vier wollten später gemeinsam in Ségouins Hotel dinieren,und in der Zwischenzeit wollten Jimmy und sein Freund, der bei ihm wohnte, nach Hause gehen und sich umziehen. Das Auto setzte sich langsam in Richtung Grafton Street in Bewegung, während die beiden jungen Männer sich einen Weg durch den Ring der Schaulustigen bahnten. Sie gingen in nördlicher Richtung, mit einem seltsamen Gefühl der Enttäuschung über diese Art der Fortbewegung, während die Stadt über ihren Köpfen fahle Lichtkugeln in den sommerlichen Abenddunst hängte.
    Zu Hause bei Jimmy hatte man dieses Diner zu einem Ereignis erklärt. Ein gewisser Stolz vermengte sich mit der Befangenheit seiner Eltern, auch eine gewisse Beflissenheit, sich locker zu geben, denn die Namen großer ausländischer Städte haben immerhin diese Wirkung. Auch sah Jimmy sehr gut aus, als er sich zurechtgemacht hatte, und wie er so in der Eingangshalle stand und die Schleife seines Abendanzugs noch einmal gerade rückte, mochte sein Vater sogar eine geschäftliche Genugtuung darüber verspürt haben, seinem Sohn zu Eigenschaften verholfen zu haben, die selten käuflich sind. Sein Vater war daher zu Villona ungewöhnlich liebenswürdig, und sein Verhalten drückte aufrichtige Hochachtung vor ausländischem Können aus; aber der Ungar nahm diese Nuancen bei seinem Gastgeber vermutlich gar nicht wahr, da sich bei ihm ein starker Appetit auf das Abendessen zu regen begann.
    Das Diner war ausgezeichnet, exquisit. Ségouin war nach Jimmys Urteil ein Feinschmecker. Zu der Tischgesellschaft war ein junger Engländer namens Routh hinzugekommmen, den Jimmy schon in Cambridge zusammen mit Ségouin gesehen hatte. Die jungen Männer speisten in einem gemütlichen, von elektrischen Kerzen erleuchteten Nebenzimmer. Sie unterhielten sich lautstark und ungehemmt. Jimmy, dessen Phantasie erwachte, malte sich aus, wie die jugendliche Lebhaftigkeit der Franzosen sich elegantum das stabile Gerüst der Umgangsformen des Engländers rankte. Ein schönes Bild, dachte er, und zutreffend. Er bewunderte die Geschicklichkeit, mit der ihr Gastgeber * die Unterhaltung dirigierte. Die Interessen der fünf jungen Männer waren unterschiedlich, und ihre Zungen hatten sich gelöst. Villona begann mit größtem Respekt dem etwas erstaunten Engländer die Schönheit des englischen Madrigals auseinanderzusetzen, wobei er beklagte, dass es die alten Instrumente nicht mehr gab. Rivière versuchte, nicht ganz ohne Hintergedanken, Jimmy die Überlegenheit französischer Mechaniker zu erklären. Die dröhnende Stimme des Ungarn drohte mit ihrem Spott über die fehlerhaften Lauten der romantischen Maler alles zu übertönen, als Ségouin das Tischgespräch auf das Feld der Politik lenkte. Auf diesem Gebiet waren sie alle zu Hause. Jimmy merkte, wie durch das reichliche Trinken die verschüttete Leidenschaft seines Vaters in ihm wiedererwachte: Es gelang ihm, den reservierten Routh endlich in Fahrt zu bringen. Der Raum heizte sich auf, und mit jedem Augenblick wurde Ségouins Aufgabe schwerer. Es wuchs sogar die Gefahr persönlicher Schmähungen. Als sich eine Gelegenheit bot, erhob der wachsame Gastgeber sein Glas auf die Menschheit, und als alle darauf getrunken hatten, öffnete er vielsagend eines der Fenster.
    Die Stadt trug an diesem Abend die Maske einer Hauptstadt * . Die fünf jungen Männer schlenderten an Stephen’s Green * entlang, eingehüllt in einen Schleier duftenden Rauchs. Sie unterhielten sich laut und angeregt, ihre Mäntel nachlässig um die Schultern geworfen. Die Leute machten ihnen Platz. An der Ecke zur Grafton Street half gerade ein kleiner dicker Mann zwei eleganten Damen in einen Wagen, dessen Fahrer ebenfalls ein dicker Mann war. Der Wagen

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