Dubliner (German Edition)
fuhr davon, und der kleine dicke Mann bemerkte die Gruppe.
– André!
– Das ist ja Farley.
Es folgte ein Redeschwall. Farley war Amerikaner. Keiner wusste so recht, wovon eigentlich die Rede war. Villona und Rivière waren am lautesten, aber alle waren sehr angeregt. Unter viel Gelächter zwängten sie sich in einen Wagen. Von fröhlichem Läuten begleitet fuhren sie an der Menge vorbei, die nun in zarten Farbtönen verschwamm. An Westland Row nahmen sie einen Zug, und schon nach wenigen Sekunden, so kam es Jimmy vor, verließen sie Kingstown Station. Der Fahrkartenkontrolleur grüßte Jimmy; er war ein alter Mann:
– Schöner Abend, Sir.
Es war eine milde Sommernacht; der Hafen lag wie ein dunkler Spiegel zu ihren Füßen. Untergehakt gingen sie darauf zu und sangen im Chor Cadet Roussel , und stampften mit den Füßen bei jedem Vers:
– Ho! Ho! Hohé, vraiment!
An der Helling stiegen sie in ein Ruderboot und nahmen Kurs auf die Yacht des Amerikaners. Dort sollte es Musik, Kartenspiel und etwas zu essen geben. Villona sagte aufrichtig:
– Wie wunderschön!
In der Kajüte stand ein kleines Klavier. Villona spielte für Farley und Rivière einen Walzer, bei dem Farley die Rolle des Herrn übernahm und Rivière die der Dame. Dann kam ein improvisierter Kontretanz, zu dem die Männer immer neue Figuren erfanden. Was für ein Spaß! Jimmy übernahm seinen Part mit Begeisterung; das hieß Leben! Dann geriet Farley außer Atem und rief Halt! Ein Mann brachte ein leichtes Abendessen herein, und die jungen Männer setzten sich anstandshalber an den Tisch. Sie tranken aber, wie es sich für Bohemiens gehörte. Sie tranken auf Irland, England, Frankreich, Ungarn, die Vereinigten Staaten von Amerika.Jimmy hielt eine Rede, eine lange Rede, und Villona rief jedes Mal Hört, hört! , wenn Jimmy eine kleine Pause machte. Es wurde viel geklatscht, als er sich wieder setzte. Es war wohl eine gute Rede gewesen. Farley klopfte ihm auf die Schulter und lachte laut. Was für nette Kerle! Wie gesellig sie doch waren!
Karten her! Karten her! Der Tisch wurde abgeräumt. Villona kehrte still ans Klavier zurück und spielte Improvisationen für sie. Die anderen spielten eine Kartenpartie nach der anderen und stürzten sich dabei mit Leib und Seele in das Abenteuer. Sie tranken auf die Herzdame und die Karodame. Jimmy spürte dunkel, dass ihnen ein Publikum fehlte: Der Geist sprühte. Die Einsätze gingen jetzt in die Höhe und Scheine wurden hin- und hergeschoben. Jimmy war sich nicht sicher, wer gewann, aber er wusste, dass er verlor. Aber das war seine eigene Schuld, denn er irrte sich oft bei seinen Karten, und die anderen mussten für ihn ausrechnen, wie viel er schuldete. Sie waren Prachtkerle, aber er wünschte, sie würden aufhören: Es war schon spät geworden. Irgendwer brachte einen Toast auf die Jacht Belle of Newport aus, und dann schlug jemand ein ganz großes Spiel zum Abschluss vor.
Das Klavierspiel hatte aufgehört; Villona war wohl an Deck gegangen. Es war ein schreckliches Spiel. Kurz vor dem Ende unterbrachen sie es, um auf ihr Glück anzustoßen. Jimmy begriff, dass entweder Routh oder Ségouin gewinnen würde. Wie aufregend! Auch Jimmy war aufgeregt; er würde natürlich verlieren. Auf wie viel beliefen sich seine Schuldscheine? Die Männer erhoben sich, um die letzten Stiche zu machen, und redeten und gestikulierten dabei. Routh war der Gewinner. Die Kajüte erbebte unter dem Jubelgeschrei der jungen Männer, und die Spielkarten wurden zusammengerafft. Dann fingen sie an einzusammeln, was sie gewonnen hatten. Farley und Jimmy hatten am meisten verloren.
Er wusste, dass er am Morgen Reue verspüren würde, aber im Augenblick war er dankbar für die Ruhepause, dankbar für die dunkle Benommenheit, die seine Torheit überdecken würde. Er lehnte seine Ellenbogen auf den Tisch, stützte seinen Kopf in beide Hände und zählte den Pulsschlag in seinen Schläfen. Die Kajütentür öffnete sich, und er sah den Ungarn, der in einem grauen Lichtstreif stand:
– Morgengrauen, meine Herren!
Z WEI FEINE H ERREN
Der graue warme Augustabend hatte sich über die Stadt gesenkt, und ein lauer Wind, eine Erinnerung an den Sommer, wehte durch die Straßen. In den Straßen, deren Läden in Erwartung der Sonntagsruhe geschlossen hatten, drängte sich eine bunte Menschenmenge. Wie leuchtende Perlen schienen die Lampen von ihren hohen Masten herab auf das lebendige Gewebe, das unablässig Form und Farbe änderte und ein
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