Dubliner (German Edition)
und der Unterwerfung sprach. Als Mrs Kernan hereinkam und sich die Hände abtrocknete, fand sie eine feierliche Versammlung vor. Sie störte die Stille nicht, sondern lehnte sich an das Gitter am Fußende des Bettes.
– Ich habe John MacHale einmal gesehen, sagte Mr Kernan, und ich werde es nicht vergessen, solange ich lebe.
Er suchte Bestätigung bei seiner Frau.
– Ich hab dir oft davon erzählt, stimmt’s?
Mrs Kernan nickte.
– Es war bei der Enthüllung des Denkmals für Sir John Gray * . Edwin Dwyer Gray hielt eine endlose Rede, und da war dieser alte Knabe, dieser griesgrämige alte Bursche, der unter seinen buschigen Augenbrauen hervor auf ihn sah.
Mr Kernan legte die Stirn in Falten, senkte den Kopf wie ein wilder Stier und starrte seine Frau an.
– Bei Gott!, rief er aus, und sein Gesicht nahm wieder seinen natürlichen Ausdruck an. Ich habe nie wieder solche Augen gesehen. Es war, als wollten sie sagen Ich hab dich durchschaut, Freundchen . Er hatte Augen wie ein Adler.
– Die Grays haben alle nichts getaugt, sagte Mr Power.
Wieder herrschte Schweigen. Mr Power wandte sich an Mrs Kernan und sagte mit plötzlicher Vertraulichkeit:
– Na, Mrs Kernan, aus Ihrem Mann hier werden wir noch einen guten, frommen und gottesfürchtigen Katholiken machen.
Er holte zu einer Armbewegung aus, die alle Anwesenden einschloss.
– Wir gehen gemeinsam zu einem Bußgottesdienst und beichten unsere Sünden – wir haben es weiß Gott bitter nötig.
– Ich hab nichts dagegen, sagte Mr Kernan und lächelte etwas gezwungen.
Mrs Kernan hielt es für klüger, sich ihre Genugtuung nicht anmerken zu lassen. Sie sagte deshalb:
– Mir tut der arme Priester leid, der sich deine Geschichte anhören muss.
Mr Kernan verzog das Gesicht.
– Wenn sie ihm nicht gefällt, sagte er grob, dann soll er mich ... du weißt schon. Ich erzähl ihm einfach meine kleine Jammergeschichte. So ein schlechter Kerl bin ich gar nicht ...
Mr Cunningham griff schnell ein.
– Wir werden alle dem Teufel abschwören, sagte er, gemeinsam, und seinen Werken und seinem Pomp.
– Weiche von mir, Satan!, sagte Mr Fogarty lachend und sah die andern an.
Mr Power sagte nichts. Er hätte das nicht besser machen können. Ein zufriedenes Lächeln huschte über sein Gesicht.
– Wir müssen nichts weiter tun, sagte Mr Cunningham, als mit einer brennenden Kerze in der Hand aufzustehen und unser Taufgelöbnis zu erneuern.
– Vergiss auf gar keinen Fall die Kerze, Tom, sagte Mr M’Coy.
– Was?, rief Mr Kernan aus. Muss ich eine Kerze haben?
– Oh ja, sagte Mr Cunningham.
– Nein, verdammt noch mal, sagte Mr Kernan aufgeweckt, da hört’s bei mir auf. Ich mach das ja alles mit. Ich mach die Geschichte mit dem Bußgottesdienst mit und die Beichte und ... all diese Geschichten. Aber... keine Kerzen! Nein, verdammt noch mal, bei Kerzen ist Schluss!
Er schüttelte den Kopf mit komischem Ernst.
– Hör sich das einer an!, sagte seine Frau.
– Bei Kerzen ist Schluss, sagte Mr Kernan, der merkte, dass er auf seine Zuhörer Eindruck gemacht hatte, und schüttelte weiter heftig den Kopf. Bei diesen Laterna-Magica-Geschichten ist Schluss!
Alle lachten herzlich.
– Du bist mir ein schöner Katholik!, sagte seine Frau.
– Keine Kerzen!, wiederholte Mr Kernan hartnäckig. Auf keinen Fall!
*
Das Querschiff der Jesuitenkirche in der Gardiner Street war fast voll; und noch immer kamen in einem fort Herrendurch die Seitentür herein und gingen, eingewiesen von einem Laienbruder, auf Zehenspitzen an den Bankreihen entlang, bis sie einen Sitzplatz fanden. Die Herren waren alle gut gekleidet und verhielten sich gesittet. Der Schein der Lampen in der Kirche fiel auf eine Versammlung von schwarzen Anzügen und weißen Kragen, in die sich hier und da etwas Tweed mischte, auf dunkel gesprenkelte Säulen aus grünem Marmor und auf düstere Ölbilder. Die Herren nahmen auf den Bänken Platz, nachdem sie die Bügelfalten ihrer Hosen über dem Knie straff gezogen hatten, und legten ihre Hüte ab. Dann lehnten sie sich zurück und starrten feierlich auf den fernen roten Lichtfleck * , der vor dem Hochaltar schwebte.
In einer der Bankreihen nahe der Kanzel saßen Mr Cunningham und Mr Kernan. In der Reihe dahinter saß Mr M’Coy alleine: und in der Bank hinter ihm saßen Mr Power und Mr Fogarty. Mr M’Coy hatte vergeblich versucht, einen Platz in der Bank neben den anderen zu bekommen, und als die Gruppe sich so gesetzt hatte, dass sie einen Quincunx *
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