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Dubliner (German Edition)

Dubliner (German Edition)

Titel: Dubliner (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Joyce
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Galoschen, während Lily seine Frau zum Fuß der Treppe führte und hinaufrief:
    – Miss Kate, Mrs Conroy ist hier!
    Kate und Julia kamen sofort auf unsicheren Beinen die dunkle Treppe herunter. Beide küssten Gabriels Frau, sagten, sie müsse sich ja fast zu Tode gefroren haben, und erkundigten sich, ob Gabriel auch da sei.
    – Hier bin ich, Tante Kate, zuverlässig wie die Post! Geht schon nach oben, ich komme gleich nach, rief Gabriel aus dem Dunkeln.
    Er säuberte noch immer gründlich seine Schuhe, während die drei Frauen lachend hinauf zur Damengarderobe gingen. Schnee lag wie ein ausgefranstes Cape auf den Schultern seines Mantels und bildete Kappen auf den Spitzen seiner Galoschen; und als sich die Knöpfe seines Mantels mit einem leise quietschenden Geräusch durch die Knopflöcher des von der Kälte steifen Friesstoffes zwängten, entwich kalte, frisch duftende Luft von draußen aus Falten und Taschen.
    – Schneit es wieder, Mr Conroy?, fragte Lily.
    Sie war zur Vorratskammer vorangegangen, um ihm aus dem Mantel zu helfen. Gabriel musste lächeln, als sie seinen Namen mit drei Silben * aussprach, und sah sie an. Sie war ein schmales, noch nicht erwachsenes Mädchen mit einem blassen Gesicht und aschblondem Haar. Das Gaslicht in der Kammer ließ sie noch bleicher erscheinen. Gabriel hatte sie schon gekannt, als sie noch ein kleines Kind war, dasauf der untersten Treppenstufe saß und eine Stoffpuppe im Arm wiegte.
    – Ja, Lily, antwortete er, und ich glaube, es wird die ganze Nacht weitergehen.
    Er sah zur Decke der Vorratskammer hinauf, die vom Stampfen und Schurren der Füße im Stockwerk darüber bebte, hörte einen Augenblick lang dem Klavier zu und sah dann das Mädchen an, das dabei war, seinen Mantel sorgsam am Ende eines Regals zusammenzufalten.
    – Sag mal, Lily, fragte er freundlich, gehst du eigentlich noch zur Schule?
    – Oh nein, Sir, antwortete sie. Ich bin schon ein Jahr und mehr aus der Schule.
    – Ja, dann, sagte Gabriel heiter, werden wir wohl demnächst zu deiner Hochzeit mit deinem jungen Mann gehen, was?
    Das Mädchen sah ihn über seine Schulter an und sagte mit großer Bitterkeit:
    – Was die Männer heute sind, die machen doch nichts wie Schmus und wollen einen rumkriegen.
    Gabriel errötete, als fühlte er, einen Fehler gemacht zu haben, und ohne Lily anzusehen, kickte er seine Galoschen von sich und wedelte energisch mit seinem Schal über seine Lackschuhe.
    Er war ein ziemlich großer, kräftig gebauter junger Mann. Die frische Farbe seiner Wangen reichte sogar bis hinauf zu seiner Stirn, wo sie sich in einige formlose hellrote Flecken auflöste. In seinem glatt rasierten Gesicht glitzerten unruhig die polierten Gläser und die hellen Goldränder einer Brille, die seine empfindlichen, unruhigen Augen schützte. Sein glänzendes schwarzes Haar war in der Mitte gescheitelt und mit einem Schwung hinter seine Ohren gebürstet, wo es sich unterhalb der Kerbe, die sein Hut hinterlassen hatte, leicht kräuselte.
    Als er seinen Schuhen wieder Glanz gegeben hatte, richtete er sich auf und zog die Weste über seinem fülligen Leib straffer. Dann nahm er schnell eine Münze aus der Tasche.
    – Ach, Lily, sagte er und drückte ihr die Münze in die Hand, es ist doch Weihnachtszeit, nicht wahr? Hier ist ... nur eine kleine ...
    Er ging hastig Richtung Tür.
    – Oh nein, Sir!, rief das Mädchen und lief ihm nach. Wirklich, Sir, das kann ich nicht annehmen.
    – Weihnachtszeit! Weihnachtszeit!, sagte Gabriel, der mit großen Schritte zur Treppe eilte und eine abwehrende Handbewegung machte.
    Als das Mädchen sah, dass er schon auf der Treppe war, rief es ihm nach:
    – Also dann, danke, Sir!
    Er wartete vor der Tür des Salons das Ende des Walzers ab und lauschte dem Rascheln der Kleider, die die Tür streiften, und dem Schurren der Füße. Er war immer noch verstört von der unerwarteten, bitteren Reaktion des Mädchens. Sie hatte ihn in eine gedrückte Stimmung versetzt, die er zu vertreiben suchte, indem er seine Manschetten und seine Fliege in Ordnung brachte. Dann nahm er aus der Westentasche einen Zettel und warf einen Blick auf die Stichworte, die er sich für seine Rede notiert hatte. Er war sich unschlüssig wegen der Verse von Robert Browning * , denn er befürchtete, sie könnten für seine Zuhörer zu hoch sein. Ein Zitat, das sie erkennen würden, etwas von Shakespeare oder aus den Melodies * wäre besser. Das unfeine Stampfen der Absätze der Männer und das Schurren der

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