Dubliner (German Edition)
einer wie der andere. Einer wie der andere, hab ich gesagt, fügte er mit ruppiger Milde hinzu und wandte sich an Mr Power. Gib’s zu!
– Ich geb’s zu, sagte Mr Power.
– Ich geb’s auch zu, sagte Mr M’Coy.
– Und darum wollen wir gemeinsam unseren alten Adam reinwaschen, erklärte Mr Cunningham.
Dann schien ihm ein Gedanke zu kommen. Er sah plötzlich den Patienten an und sagte:
– Weißt du was, Tom? Du könntest doch mitmachen, dann wäre es ein Tänzchen zu viert.
– Gute Idee!, sagte Mr Power. Wir vier zusammen.
Mr Kernan schwieg. Er konnte mit dem Vorschlag nicht viel anfangen, aber er begriff, dass irgendwelche geistlichen Instanzen dabei waren, sich seiner anzunehmen, und darum meinte er, es seiner Würde schuldig zu sein, dass er sich halsstarrig zeigte. Lange beteiligte er sich nicht an demGespräch, sondern hörte nur mit einem Ausdruck stiller Ablehnung zu, während seine Freunde sich über die Jesuiten * unterhielten.
– Von den Jesuiten habe ich gar keine so schlechte Meinung, sagte er, als er sich schließlich einschaltete. Das ist ein gebildeter Orden, und ich glaube, sie meinen es gut.
– Sie sind von allen Orden der Kirche der feinste, Tom!, sagte Mr Cunningham enthusiastisch. Der Generalobere der Jesuiten kommt gleich nach dem Papst.
– Da gibt’s keinen Zweifel, sagte Mr M’Coy. Wenn du willst, dass etwas ordentlich und tipptopp erledigt wird, dann gehst du zu einem Jesuiten. Diese Jungs sind einflussreich. Ich geb euch mal ein Beispiel ...
– Die Jesuiten sind ein tadelloser Verein, sagte Mr Power.
– Es ist was Merkwürdiges, sagte Mr Cunningham, mit dem Jesuitenorden. Jeder andere Orden der Kirche musste irgendwann mal reformiert werden, nur der Jesuitenorden ist kein einziges Mal reformiert worden. Er ist nie abtrünnig geworden.
– Ist das wahr?, fragte Mr M’Coy.
– Tatsache, sagte Mr Cunnigham. Das ist historisch.
– Und seht euch mal ihre Kirche an, sagte Mr Power. Seht euch den Zulauf an, den die haben.
– Die Jesuiten sind für die Oberschicht da, sagte Mr M’Coy.
– Natürlich, sagte Mr Power.
– Ja, sagte Mr Kernan. Drum habe ich auch was für sie übrig. Manche von diesen Laienpriestern hingegen, diesen ungebildeten, eingebildeten ...
– Sie sind alles gute Männer, sagte Mr Cunningham, jeder auf seine Weise. Irische Priester sind überall auf der Welt geachtet.
– Oh ja, sagte Mr Power.
– Nicht wie die Priester in manchen Ländern auf demKontinent, sagte Mr M’Coy, die diesen Namen nicht verdienen.
– Vielleicht habt ihr recht, sagte Mr Kernan einlenkend.
– Natürlich habe ich recht, sagte Mr Cunningham. Ich bin doch lange genug auf der Welt und hab sie von allen Seiten kennengelernt, um Menschen beurteilen zu können.
Die Herren tranken wieder, einer nach dem anderen. Mr Kernan schien etwas im Geiste abzuwägen. Er war beeindruckt. Er hatte Hochachtung vor Mr Cunningham als einem Menschenkenner, der in Gesichtern lesen konnte. Er erkundigte sich nach Einzelheiten.
– Ach, es ist einfach nur ein Bußgottesdienst, weißt du, sagte Mr Cunningham. Father Purdon leitet ihn. Das Ganze ist für Geschäftsleute gedacht, weißt du.
– Er wird schon nicht zu streng mit uns sein, Tom, sagte Mr Power, um ihn zu locken.
– Father Purdon? Father Purdon?, fragte der Patient.
– Ach, den kennst du bestimmt, Tom, sagte Mr Cunningham entschieden. Ein wirklich netter Bursche! Er ist ein Mann von Welt, wie wir.
– Ah ... ja. Ich glaube, den kenne ich. Ziemlich rotes Gesicht, groß.
– Das ist er!
– Aber sag mal, Martin.... Ist er ein guter Prediger?
– Hmmnein. ... Es handelt sich eigentlich nicht um eine Predigt, weißt du. Es ist eher eine Art freundliche Ansprache, verstehst du, eine sehr vernünftige.
Mr Kernan dachte nach. Mr M’Coy sagte:
– Father Tom Burke, der konnte was!
– Oh, Father Tom Burke, sagte Mr Cunningham, das war ein geborener Redner. Hast du den je gehört, Tom?
– Und ob ich den gehört habe!, sagte der Patient pikiert. Das will ich meinen! Ich habe ihn mal gehört ...
– Andererseits wird behauptet, er sei kein guter Theologe gewesen, sagte Mr Cunningham.
– Tatsächlich?, sagte Mr M’Coy.
Ach, es war nichts Verkehrtes, verstehst du. Aber manchmal, sagt man, hat er etwas gepredigt, das nicht ganz der amtlichen Lehre entsprach.
– Ah! ... Er war ein feiner Mensch, sagte Mr M’Coy.
– Ich habe ihn einmal gehört, fuhr Mr Kernan fort. Ich weiß nicht mehr, wovon er sprach. Crofton und ich
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