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Duddits - Dreamcatcher

Duddits - Dreamcatcher

Titel: Duddits - Dreamcatcher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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durch!
    »Was?«, fragt er, und der Mann, der neben ihm stehen geblieben ist, der sich als Erster über ihn beugen wird – in einer Vergangenheit, die nun vielleicht glücklicherweise abgesagt wurde –, schaut ihn argwöhnisch an und sagt: »Ich habe nichts gesagt«, als wäre da irgendwo noch ein Dritter dabei. Jonesy hört ihn kaum, denn es ist durchaus ein Dritter da, da ist eine Stimme in seinem Kopf, die sich verdächtig nach seiner eigenen anhört, und sie schreit ihn an, er solle auf dem Bordstein stehen bleiben, solle nicht auf die Straße gehen –
    Dann hört er jemand weinen. Er schaut hinüber auf die andere Seite der Prospect Street, und, o Gott, da ist Duddits, Duddits Cavell, nackt bis auf die Unterhose, und er hat etwas Braunes rund um den Mund geschmiert. Es sieht wie Schokolade aus, aber Jonesy weiß es besser. Es ist Hundescheiße, dieses Schwein Richie hat ihn doch noch dazu zwingen können, sie zu essen, und die Leute da drüben gehen einfach weiter, als wäre Duddits gar nicht da.
    »Duddits!«, ruft Jonesy. »Duddits, halt durch, Mann, ich komme!«
    Und er eilt, ohne hinzuschauen, auf die Straße, und dem Passagier in ihm drin bleibt nichts übrig, als mitzumachen, aber jetzt weiß er wenigstens, wie und warum der Unfall passiert ist – der alte Mann, ja, der alte Mann mit Alzheimer im Frühstadium, der überhaupt nicht mehr am Steuer eines Autos hätte sitzen dürfen, aber das war nur der eine Teil. Der andere Teil, der bisher in der Schwärze, die den Unfall bis dato umgeben hatte, verborgen geblieben war, war der: Er hatte Duddits gesehen und war einfach auf die Straße gerannt, ohne nach links und rechts zu schauen.
    Und er sieht noch etwas ganz kurz: ein riesiges Muster, so etwas wie einen Traumfänger, der all die Jahre seit 1978, als sie Duddits Cavell kennenlernten, und auch die Zukunft zusammenhält.
    Sonnenschein glitzert auf einer Windschutzscheibe; das sieht er im linken Augenwinkel. Ein Auto kommt und kommt zu schnell. Der Mann, der neben ihm am Bordstein stand, der gute alte Mr. Ich -hab-nichts-gesagt, schreit: »Pass auf, Mann, pass auf!«, aber Jonesy hört ihn kaum. Denn dort steht ein Hirsch auf dem Bürgersteig hinter Duddits, ein schöner kapitaler Bock, fast so groß wie ein Mensch. Und dann, kurz bevor der Lincoln ihn erwischt, sieht Jonesy, dass der Hirsch tatsächlich ein Mensch ist, ein Mann mit orangefarbener Mütze und Warnweste. Auf der Schulter hat er wie ein abscheuliches Maskottchen ein beinloses Wieselwesen mit riesigen schwarzen Augen. Sein Schwanz – oder vielleicht ist es auch ein Fangarm – schlingt sich um den Hals des Mannes. Wie um Gottes willen konnte ich den für einen Hirsch halten?, denkt Jonesy, und dann erwischt ihn der Lincoln, und er wird auf die Straße geschleudert. Er hört ein fieses, gedämpftes Knacken, als seine Hüfte bricht.

2
    Diesmal also keine Dunkelheit; so oder so wird die Gedächtnisstraße jetzt von Bogenlampen erhellt. Doch der Film ist durcheinander, als hätte sich der Cutter zum Mittagessen ein paar Drinks zu viel gegönnt und vergessen, wie die Geschichte ursprünglich gedacht war. Teilweise hat es damit zu tun, dass die Zeit aus der Form geraten ist: Er scheint gleichzeitig in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu leben.
    So reisen wir, sagt eine Stimme, und Jonesy wird klar, dass es die Stimme ist, die er um Marcy, um eine Spritze hat wimmern hören. Ab einer bestimmten Beschleunigung werden alle Reisen zu Zeitreisen. Das Gedächtnis ist die Grundlage jeder Reise.
    Der Mann von der Ecke, der alte Mr. Ich -hab-nichts-gesagt, beugt sich über ihn, fragt, ob alles mit ihm in Ordnung sei, sieht, dass nichts mit ihm in Ordnung ist, schaut dann hoch und fragt: »Wer hat ein Handy? Der Mann hier braucht einen Krankenwagen.« Als er den Kopf hebt, sieht Jonesy, dass er einen kleinen Schnitt unter dem Kinn hat, den sich der alte Mr. Ich -hab-nichts-gesagt heute Morgen wahrscheinlich zugefügt hat, ohne es auch nur zu merken. Das ist süß, denkt Jonesy, und dann springt der Film, und hier haben wir einen alten Knacker in einem dunkelbraunen Mantel und mit einem Fedorahut auf – nennen wir das ältliche Sackgesicht den alten Mr. Was-habe-ich-gemacht. Er läuft herum und stellt den Leuten diese Frage. Er sagt, er hätte einen Moment lang weggeschaut und dann einen Aufprall gespürt – was habe ich gemacht? Er sagt, eigentlich hätte er nie so einen großen Wagen haben wollen – was habe ich gemacht? Er sagt, er könne sich

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