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Duddits - Dreamcatcher

Duddits - Dreamcatcher

Titel: Duddits - Dreamcatcher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Henry! Es ist Viertel vor vier. Es wird Zeit, dass du in die Socken kommst.
    Diese Stimme war kräftiger und eindringlicher als die anderen und übertönte sie; es war wie eine Stimme aus einem Walkman mit frischen Batterien, bei dem die Lautstärke bis zehn aufgedreht war. Es war die Stimme von Owen Underhill. Er war Henry Devlin. Und wenn sie es versuchen wollten, dann war jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen.
    Henry stand auf und zuckte dabei zusammen, solche Schmerzen hatte er in den Beinen, im Rücken, in den Schultern, im Nacken. Wo seine Muskeln nicht protestierten, juckte der weiter wuchernde Byrus ganz abscheulich. Er fühlte sich, als wäre er hundert Jahre alt, und als er dann seinen ersten Schritt auf das schmutzige Fenster zu machte, dachte er, er sei wohl doch eher hundertzehn.

3
    Owen sah den Mann schemenhaft am Fenster auftauchen und nickte erleichtert. Henry bewegte sich wie Methusalem an einem schlechten Tag, aber Owen hatte etwas, was ihm zumindest vorläufig aufhelfen würde. Er hatte es im nagelneuen Krankenrevier mitgehen lassen, wo so viel los war, dass niemand sein Kommen und Gehen bemerkt hatte. Und die ganze Zeit über hatte er seine Gedanken mit den beiden abschirmenden Mantras geschützt, die Henry ihm beigebracht hatte: Auf einem Steckenpferd nach Banbury Cross und Yes we can-can, yes we can, yes we can-can, great gosh-a’mighty. Bislang schienen sie zu funktionieren – er hatte sich ein paar argwöhnische Blicke eingehandelt, aber bisher keine Fragen. Sogar das Wetter meinte es gut mit ihnen; der Sturm toste unvermindert.
    Jetzt sah er Henrys Gesicht am Fenster, eine blasse, ovale, verschwommene Erscheinung, die zu ihm herausschaute.
    Ich weiß nicht, ob ich das schaffe, sandte Henry. Mann, ich kann kaum gehen.
    Dem kann ich abhelfen. Geh vom Fenster weg.
    Ohne Fragen zu stellen, ging Henry beiseite.
    In einer Tasche seines Parkas hatte Owen ein kleines Metalletui (die Insignien der Marineinfanterie waren auf dem Stahldeckel eingeprägt), in dem er im Dienst seine diversen Ausweise aufbewahrte. Das Etui hatte ihm ausgerechnet Kurtz geschenkt, nach ihrem Einsatz in Santo Domingo im vergangenen Jahr. In einer anderen Tasche hatte er drei Steine, die er unter seinem Hubschrauber eingesammelt hatte, wo die Schneeschicht nur dünn war.
    Er nahm einen davon – einen schönen Brocken Maine-Granit – und hielt dann inne, als ein helles Bild vor seinem geistigen Auge auftauchte. Mac Cavenaugh, der Typ aus dem Blue Boy Leader, der bei dem Einsatz zwei Finger verloren hatte, saß in einem der Wohncontainer des Lagers. Bei ihm war Frank Bellson aus dem Blue Boy Three, dem anderen Kampfhubschrauber, der es zurück zur Basis geschafft hatte. Sie hatten eine kräftige Taschenlampe mit acht Batterien angeknipst und wie eine elektrische Kerze hingestellt. Ihr helles Licht strahlte unter die Decke. Das geschah in diesem Augenblick, keine zweihundert Meter von der Stelle entfernt, an der Owen mit einem Stein in der einen Hand und seinem Stahletui in der anderen stand. Cavenaugh und Bellson saßen nebeneinander auf dem Boden des Containers. Beide hatten sie etwas im Gesicht, das wie ein dichter roter Bart aussah. Die üppige Wucherung hatte die Bandagen über Cavenaughs Fingerstümpfen durchdrungen. Die beiden hielten sich die Mündung ihrer Dienstpistolen in den Mund. Sie hielten Blickkontakt. Und waren über Gedanken miteinander verbunden. Bellson zählte ab: Fünf … vier … drei …
    »Nicht, Jungs!«, rief Owen, hatte aber nicht das Gefühl, dass sie ihn hörten; ihre Verbindung zueinander war zu stark; es waren die Bande zwischen zwei Männern, die zu allem entschlossen waren. Sie waren die Ersten in Kurtz’ Kommando, die das heute Nacht taten; und Owen glaubte nicht, dass sie die Einzigen bleiben würden.
    Owen? Das war Henry. Owen, was ist …
    Dann zapfte er an, was Owen sah, und schwieg entsetzt.
    … zwei … eins.
    Zwei Pistolenschüsse, vom tosenden Wind und dem Betriebslärm der vier Generatoren fast übertönt. Zwei Fächer aus Blut und mehliger Gehirnmasse tauchten im Dämmerlicht wie von Zauberhand über den Köpfen von Cavenaugh und Bellson auf. Owen und Henry sahen Bellsons rechten Fuß noch ein letztes Mal zucken. Er stieß die Taschenlampe um, und für einen Augenblick konnten sie Cavenaughs und Bellsons entstellte, mit Byrus überwucherte Gesichter sehen. Als dann die Taschenlampe über den Containerboden kullerte, noch ein paar Lichtkreise auf die Aluminiumwände warf, wurde

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