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Duddits - Dreamcatcher

Duddits - Dreamcatcher

Titel: Duddits - Dreamcatcher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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das Bild dunkel wie bei einem Fernseher, bei dem man den Stecker herausgezogen hatte.
    »O Gott«, flüsterte Owen. »Gütiger Gott.«
    Henry war wieder hinter dem Fenster aufgetaucht. Owen gab ihm ein Handzeichen, er solle beiseite gehen, und warf dann den Stein. Es war nicht weit, aber beim ersten Mal verfehlte er das Fenster trotzdem, und der Stein prallte an den verwitterten Brettern links daneben ab. Er nahm einen zweiten Stein, atmete tief ein und warf. Diesmal zerschlug er das Glas.
    Jetzt kommt Post für dich, Henry.
    Er warf das Stahletui in den Schuppen.

4
    Es fiel auf den Boden. Henry hob es auf und öffnete es. Vier kleine Päckchen aus Alufolie lagen darin.
    Was ist das?
    Taschenraketen, antwortete Owen. Hast du ein gesundes Herz?
    Ich glaube schon.
    Gut. Denn verglichen damit fühlt sich Kokain wie Valium an. Es sind zwei pro Packung. Nimm drei und heb die restlichen auf.
    Ich habe kein Wasser.
    Stell dich nicht blöde an. Kauen, mein Lieber. Du hast doch noch ein paar Zähne übrig, oder? Das klang verärgert, und zunächst verstand Henry es nicht, dann aber schon. Wenn er zu dieser frühen Morgenstunde irgendwas nachvollziehen konnte, dann den plötzlichen Verlust von Freunden.
    Die Tabletten waren weiß, trugen keine Markierung irgendeines pharmazeutischen Unternehmens und schmeckten schrecklich bitter, als sie im Mund zerbröselten. Seine Kehle sträubte sich dagegen, als er sie schluckte.
    Die Wirkung setzte fast augenblicklich ein. Als er sich Owens Etui in die Hosentasche gesteckt hatte, schlug Henrys Herz schon doppelt so schnell. Und es schlug dreimal so schnell, als er wieder ans Fenster gegangen war. Seine Augen schienen mit jedem hastigen Herzschlag in ihren Höhlen zu pulsieren. Das war aber kein besorgniserregendes Gefühl; Henry fand es sogar angenehm. Seine Schläfrigkeit und auch seine Schmerzen waren verflogen.
    »Wow!«, rief er. »Popeye sollte mal ein paar Büchsen von diesem Zeug hier probieren!« Er lachte auf, weil ihm das Sprechen jetzt so merkwürdig vorkam – schon fast antiquiert – und weil er sich so gut fühlte.
    Beruhig dich. Wie findest du’s?
    Gut! GUT!
    Selbst seine Gedanken hatten anscheinend eine neue, kristallklare Kraft, und Henry glaubte nicht, dass er sich das nur einbildete. Es war hinter dem alten Futterschuppen zwar etwas dunkler als im übrigen Lager, aber doch hell genug, dass er sah, wie Owen zusammenzuckte und sich eine Hand an den Kopf hielt, als hätte ihm jemand direkt ins Ohr gebrüllt.
    ’tschuldige, sandte er.
    Schon gut. Du bist nur einfach sehr laut. Du musst ja ganz überwuchert von dem Zeug sein.
    Nein, bin ich gar nicht, antwortete Henry. Ein Fetzen aus seinem Traum fiel ihm wieder ein: sie alle vier auf diesem grasbewachsenen Hang. Nein, sie waren zu fünft, denn Duddits war auch dabei gewesen.
    Henry, weißt du noch, wo ich auf dich warten werde?
    An der Südwestecke des Lagers. Gegenüber vom Stall. Aber …
    Kein Aber. Da warte ich auf dich. Und wenn du hier rauswillst, kommst du dahin. Es ist jetzt … Owen sah kurz auf seine Armbanduhr. Wenn sie noch funktionierte, musste es eine zum Aufziehen sein, dachte Henry. … zwei Minuten vor vier. Ich gebe dir eine halbe Stunde, und wenn sich die Leute im Stall dann noch nicht in Bewegung gesetzt haben, schließe ich den Zaun kurz.
    Eine halbe Stunde ist vielleicht zu knapp, entgegnete Henry. Obwohl er ruhig dastand und zu Owen dort im Schneetreiben hinausschaute, atmete er so schnell wie ein Rennläufer. Und sein Herz fühlte sich an, als würde er tatsächlich rennen.
    Das muss reichen, sandte Owen. Der Zaun ist mit einer Alarmanlage versehen. Die Sirenen werden heulen. Noch mehr Scheinwerfer. Großalarm. Wenn die Kacke am Dampfen ist, gebe ich dir noch fünf Minuten – zähl bis dreihundert –, und wenn du dann noch nicht da bist, mache ich mich allein vom Acker.
    Ohne mich findest du Jonesy nie.
    Deswegen muss ich aber noch längst nicht hier bleiben und mit dir sterben, Henry. Ganz ruhig. Als würde er mit einem kleinen Kind sprechen. Wenn du es in fünf Minuten nicht bis zu unserem Treffpunkt schaffst, hat sowieso keiner von uns eine Chance.
    Die beiden Männer, die sich gerade umgebracht haben … die sind nicht die Einzigen, bei denen es so schlimm ist.
    Ich weiß.
    Henry hatte vor seinem geistigen Auge kurz ein Bild des gelben Schulbusses mit dem Aufdruck MILLINOCKET SCHOOL DEPT. Aus den Fenstern schauten gut vierzig grinsende Totenschädel. Das waren Owen Underhills Kameraden,

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