Duddits - Dreamcatcher
machen wie den Ballsaal im Waldorf-Astoria, wenn du wolltest … und Mr. Gray könnte dich nicht daran hindern.
»Ist das möglich?«, flüsterte Jonesy. Er stand neben seinem Schreibtisch, eine Hand auf dem Rücken, als würde er für ein Porträt Modell stehen. Er musste sich diese Frage gar nicht beantworten; er musste sich nur umschauen. Der Raum war jetzt eindeutig größer.
Henry kam. Wenn er Duddits dabeihatte, dann war es einfach für ihn, Mr. Gray zu verfolgen, egal wie oft Mr. Gray das Fahrzeug wechselte, denn Duddits sah die Linie. Er hatte sie in einem Traum zu Richie Grenadeau geführt, und später hatte er sie in der Realität zu Josie Rinkenhauer geführt, und er konnte Henry nun so einfach den Weg weisen, wie ein Jagdhund einen Jäger zu einem Fuchsbau führte. Das Problem war eher der Vorsprung, dieser verdammte Vorsprung, den Mr. Gray hatte. Mindestens eine Stunde. Vielleicht sogar mehr. Und wenn Mr. Gray den Hund erst einmal in den Schacht zwölf geworfen hatte, war alles zappenduster. Es wäre zwar – theoretisch – noch Zeit, die Wasserversorgung von Boston zu sperren, aber würde Henry irgendjemand davon überzeugen können, etwas derart Weitreichendes und Störendes zu unternehmen? Jonesy bezweifelte es. Und was war mit den ganzen Menschen an der Strecke, die das Wasser fast ohne Verzögerung trinken konnten? 6500 in Ware, 11 000 in Athol, über 150 000 in Worcester. Bei denen war es schon in Wochen, nicht erst in Monaten. Und bei manchen schon in einigen Tagen.
Gab es irgendeine Möglichkeit, dieses Schwein zu bremsen und damit Henry die Chance zu geben, ihn einzuholen?
Jonesy schaute zum Traumfänger hoch, und in diesem Moment änderte sich etwas im Zimmer – er hörte fast so etwas wie ein Seufzen, ein Geräusch, wie Geister es angeblich bei Seancen machten. Aber das hier war kein Geist, und Jonesy spürte ein Prickeln in den Armen. Gleichzeitig traten ihm Tränen in die Augen. Ein Satz von Thomas Wolfe fiel ihm ein: Verloren – ein Stein, ein Blatt, eine nie gefundene Tür. Thomas Wolfe, dessen These immer gewesen war, man könne nie wieder nach Hause gelangen.
»Duddits?«, flüsterte er. Seine Nackenhaare richteten sich auf. »Duddie, bist du das?«
Keine Antwort … aber als er auf den Schreibtisch schaute, auf dem das nutzlose Telefon gestanden hatte, sah er, dass etwas Neues hinzugekommen war. Kein Stein, kein Blatt und auch keine nie gefundene Tür, sondern ein Cribbage-Brett und ein Kartenspiel.
Da wollte jemand das Spiel spielen.
13
Tut jetzt die ganze Zeit weh. Mama weiß, er sagt es Mama. Jesus weiß, er sagt es Jesus. Henry sagt er es nicht, Henry hat selber Schmerzen, Henry müde, würde ihn nur traurig machen. Biber und Pete sind im Himmel, wo sie sitzen zur Rechten Gottes, des allrechtigen Vaters, des Schöpfers des Himmels und der Erde, in Ewigkeit, amen, o Mann. Das macht ihn traurig, sie waren gute Freunde und haben Spiele gespielt und sich nie über ihn lustig gemacht. Einmal haben sie Josie gefunden, und einmal haben sie einen großen Mann gesehen, einen Cowboy, und früher haben sie das Spiel gespielt.
Das hier ist auch ein Spiel, aber Pete hat immer gesagt: Duddits, es kommt nicht darauf an, ob du gewinnst oder verlierst, es kommt darauf an, wie du spielst, aber diesmal kommt es wohl darauf an, es kommt darauf an, das hat Jonesy gesagt, Jonesy hört schlecht, aber das wird bald besser, ganz bald besser. Wenn es doch nicht so wehtun würde. Nicht mal die Oxy helfen mehr. Sein Hals ist wund, und er zittert überall, und sein Bauch tut weh, wie wenn er Aa machen muss, so ähnlich, und dabei muss er gar nicht Aa machen, und wenn er hustet, kommt manchmal Blut. Er würde gern schlafen, aber da sind Henry und sein neuer Freund Owen, der an dem Tag dabei war, als sie Josie gefunden haben, und die sagen: Wenn wir ihn bloß irgendwie bremsen könnten und Wenn wir ihn bloß einholen könnten, und er muss wach bleiben und ihnen helfen, aber er muss die Augen zumachen, damit er Jonesy hören kann, und dann denken sie, dass er schläft, und Owen sagt: Sollen wir ihn nicht lieber wecken, was ist, wenn dieses Schwein irgendwo abbiegt, und Henry sagt: Ich sage dir doch, ich weiß, wohin er fährt, aber wenn wir auf dem I-90 sind, wecken wir ihn zur Sicherheit auf. Aber jetzt lass ihn schlafen, mein Gott, er sieht so müde aus. Und wieder sagt er das, aber diesmal nur in Gedanken: Wenn wir dieses Schwein doch bloß irgendwie bremsen könnten.
Augen zu. Arme verschränkt
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