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Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici

Titel: Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Administrator
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schrieb eine Botschaft an die signoria, dass Stepan Tredittore, Kaufmannsgehilfe und Mitverschwörer der Jana Dlugosz, hier zu finden sei.« Er nickte mit unbewegtem Gesicht. »Ja, mittlerweile weiß ich ein wenig mehr über Euch und die Leute, die Euch begleiten.«
    »Ich hätte es Euch selbst gesagt. Ihr habt Euch die Ohren zugehalten.«
    »Ja, ich war töricht«, knurrte er. »Doch wenn ich mir heute Morgen die Hände nicht um die Ohren gelegt hätte, hätte ich sie vielleicht um Euren Hals wiedergefunden.«
    »Wer hat die Botschaft verfasst?«
    »Glaubt Ihr, unter so etwas setzt man seine Unterschrift? Der Gerichtsdiener hat mir den Wisch vor die Nase gehalten. Es waren nur ein paar Zeilen, sonst nichts.«
    »Ich verstehe nicht, warum es jemand ausgerechnet auf Tredittore abgesehen hatte anstatt auf mich. Tredittore ist Kaufmannsgehilfe aus Janas Handelshaus, ganz richtig. Und nichts weiter. Ich bin ihr Gefährte. Und ich habe die ganze Zeit über fest damit gerechnet, dass man nach mir sucht.«
    »Scheinbar nicht. Und scheinbar war es ihm klarer als Euch, dass er gesucht wurde. Er ist so abrupt auf und davon, dass das Küchenmädchen dachte, er wolle nur die Stellung wechseln.«
    »Das hat überhaupt nichts zu bedeuten«, sagte ich. »Der Mann ist nur vorsichtig, was seine Person angeht. Als Jana auf Cerchis Landgut verhaftet wurde, hat er sich aus genau der gleichen Situation auf die gleiche Weise in Sicherheit gebracht. Das ist sein Markenzeichen.«
    »Auf Cerchis Landgut, soso.« Er sah mich offen an. »Ich frage das nur einmal: Wie weit seid Ihr und Eure Leute in die Verschwörung verwickelt?«
    Ich gab seinen Blick ebenso frei zurück. »Überhaupt nicht. Ich habe zu viel erlebt, um Geschäfte mit der Politik machen zu wollen, und Jana ist nicht dumm genug dazu. Tredittore wäre so überheblich, sich einzumischen, aber er war seit Venedig stets in unserer Nähe und hatte keine Möglichkeit, irgendwelche Komplotte mit den Verschwörern einzugehen. Keiner von uns ist an dieser Geschichte beteiligt.«
    »Warum sitzt Eure Gefährtin dann im Gefängnis?«
    »Weil man sie mit gefälschten Briefen verleumdet hat.«
    »Könnt Ihr das beweisen?«
    »Säße sie dann noch im Gefängnis?«
    »Wisst Ihr wenigstens, wer es getan haben soll?«
    »Ich habe ein paar Verdächtige, allen voran Antonio Pratini, den Jana in Venedig massiv aus einem Geschäft gedrängt hat. Stepan Tredittore hätte auch einen Grund, und sei es nur, um seinen Herren in Krakau die Schwierigkeit zu ersparen, Jana auf legale Weise aus ihrem eigenen Handelshaus hinauszubefördern. Kardinal Riario wäre ebenfalls ein guter Verdächtiger, weil er sehr daran interessiert sein muss, alle Verdachtsmomente von sich abzulenken, und einen Batzen Geld von Janas Konto erhalten hat, den er sichtlich nicht wieder hergeben will; oder Rudolf Gutswalter, der immer so hilfsbereit ist und immer irgendetwas verschweigt. Ich weiß es nicht. Sie haben alle ein Motiv, doch keines erscheint mir stark genug. Ich versuche es seit Tagen zu klären, und alles, was ich herausbekommen habe, ist, dass ich nur die Hälfte von dem weiß, was ich wirklich wissen sollte.«
    »Wie wäre es mit der einfachsten Erklärung?«
    »Dass Jana schuldig ist? Ich habe mir diese Frage jede Stunde gestellt und lange gezweifelt, das kann ich Euch versichern.«
    »Ich frage mich, warum ich Euch diese Geschichte glauben soll«, seufzte Boehl. »Und mehr noch frage ich mich, warum ich es tatsächlich tue.«
    Ich stand auf und ging zur Tür.
    »Was habt Ihr vor?«, fragte er.
    Ich lächelte ihn schwach an. »Ich versuche zu vermeiden, dass der einzige Mensch hier verhaftet wird, dem ich eine Nacht im Gefängnis von Herzen gönnen würde.«
     
    Der palazzo der Familie Medici wandte der Via Larga eine lang gestreckte graubraune Front zu. Das ausgeprägte Bossenwerk ließ ihn wehrhaft wirken; vielleicht lag es auch nur an der schweren Bewachung und dem geschlossenen zweiflügligen Tor. Die nördliche Hälfte der Fassade war durch eine weit zur Gasse hin offene Loggia unterbrochen. Jetzt, gegen Abend, stand die Sonne im Westen, und die ostwärts ausgerichtete Fassade des palazzo lag im Schatten. Am Morgen würde die Sonne hell in die Loggia scheinen und Lorenzo und seiner Familie die Gelegenheit geben, vor aller Augen im Sonnenlicht gemeinsam die erste Mahlzeit des Tages einzunehmen. Die Loggia war nun leer und finster; es war schwer vorstellbar, dass eine unbekümmerte Zurschaustellung familiären

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