Dübell, Richard - Eine Messe für die Medici
er den Kopf so gesenkt hielt, damit er niemandem in die Augen blicken musste, der seinen unrühmlichen Abgang aus dem Hause Medici vielleicht beobachtet hatte.
»Da seid Ihr ja wieder«, sagte ich, als er auf meiner Höhe war. Er tat einen Sprung und stierte mich entsetzt an. »Was tut Ihr denn hier?«, stammelte er.
»Ich wollte in Erfahrung bringen, wie sich die Wachmannschaften von Lorenzo de’ Medici die Stiefel abputzen«, erklärte ich. Er errötete noch mehr und fasste sich unbewusst dorthin, wo ihn der Fußtritt getroffen hatte. Ich deutete in die Gasse hinein, die zu San Lorenzo hinüberführte. »Folgt mir«, sagte ich. Er trottete ohne Widerspruch hinter mir her.
Das Blut war noch nicht weggewaschen worden, ebenso wenig wie die paar dicklichen Klumpen, die die Soldaten bei der Beseitigung von Stefano di Bagnones Leichnam übersehen hatten. Jemand hatte Asche über die Stelle gestreut, aber das Rot sickerte hindurch. Das Dutzend Raben, das über den Sand schritt und mit metallisch glänzenden Flügeln flatterte, während ihre Schnäbel die Klumpen aufpickten, blickte uninteressiert auf, als wir uns näherten. Der Platz war fast menschenleer, von den Wachen vor der Kirche und einigen Neugierigen abgesehen, die aus sicherer Entfernung auf den Aschefleck mit den Raben zeigten.
»Habt Ihr schon gehört, dass die beiden Männer, die Lorenzo de’ Medici in der Kirche angegriffen haben, heute verhaftet worden sind?«, fragte ich Tredittore. Ich blieb bei dem Aschefleck stehen. Ein paar Raben flatterten unwillig zur Seite und näherten sich gleich wieder mit selbstbewussten Schritten. »Einer von ihnen kam an dieser Stelle zu Tode.«
Tredittore stierte auf die geschäftigen Raben. Schließlich hob er den Kopf und sah mir mit dem Blick eines zur Hinrichtung Verurteilten ins Gesicht.
»Ich nehme an, Ihr wart bei Seiner Exzellenz, Kardinal Riario«, begann ich.
»Nach all der Demütigung… Ich meine, ich musste es doch versuchen…Jeder darf eine Chance ergreifen…«, sprudelte er hervor und schloss dann den Mund. Seine Augen irrten zu der Asche auf dem Pflaster ab.
»Ihr habt hier keine Verbündeten«, sagte ich grimmig. »Ich bin noch das, was einem Freund am nächsten kommt. Also erzählt es mir.«
Er ballte die Fäuste und seufzte. Die Röte seines Gesichts sammelte sich allmählich in zwei Flecken hoch auf seinen Wangen, während der Rest eher bleich wurde. Er presste die Lippen trotzig zusammen und schwieg.
»Nun gut, wie Ihr wollt«, sagte ich. »Dann erzähle ich es. Es ist die Version, die ich gleich nachher den Behörden unterbreiten werde. Nachher: das heißt, nachdem ich Euch von den Wachen dort drüben habe verhaften lassen.« Ich gab ihm keine Zeit, etwas darauf zu erwidern. Die Raben zu unseren Füßen begannen um etwas zu streiten, und ich erhob meine Stimme, damit er mich über das Krächzen und Flügelschlagen deutlich hören konnte.
»Jana hat kaum etwas anderes mit eigener Hand unterzeichnet als Briefe und Geschäftskontrakte. Für Anweisungen, zum Beispiel zum Transfer von Geldern, verwendete sie nur ihr Siegel. Sie sagte immer, wenn das Siegel des Hauses Dlugosz nicht mal ihr eigenes Geld von da nach dort bewegen könnte, wäre es das Wachs nicht wert, in das es gedrückt wird. Trotzdem gibt es eine Anweisung mit ihrer Unterschrift, eine erkleckliche Summe auf das Konto von Kardinal Riario bei der Pazzi-Bank in Rom zu transferieren. Ist das nicht seltsam, dass sie plötzlich von ihrer Gewohnheit abweichen sollte?«
Tredittore sah mich stumm an. Seine Augen funkelten, doch die Not war noch nicht so groß, dass er von selbst mit der Sprache herausgerückt wäre. Sein kurzes, unverständliches Gestammel stellte bisher seine einzige Äußerung zu der Tat dar, die er mich zwang ihm auseinander zu legen.
»Jana hielt nichts von Kardinal Riario. Sie nannte ihn einen Kindskopf, und sie hat noch nie mit einem Kindskopf irgendwelche Geschäfte gemacht. Das Geld, das er erhielt, war also nicht für einen Handel oder als Vorauszahlung für einen Gefallen gedacht. Es war auch keine Spende, denn Janas Meinung von Papst Sixtus und seinem Familienclan ist so schlecht, dass sie ihm freiwillig nicht einmal das Schwarze unterm Fingernagel überlassen würde. Wenn sie schon eine Spende machen wollte, dann würde sie diese einem Waisenhaus zukommen lassen oder einem Kloster, das sich um Aussätzige kümmert – niemals jedoch einem Buben unter einem viel zu weiten Kardinalshut, der nicht einmal die
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